IV. Das römische Kaisertum deutscher Kation.
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Volkes war gar nicht zu zählen. Don überallher waren sie gekommen: aus dem weiten
deutschen Reiche, aus Italien und $ranfreich, aus Spanien und England, aus Ungarn und
Böhmen. Derehrung und Liebe hatte sie dorthin geführt; sie wollten den Kaiser in all seiner
Pracht und in all seinem Glanze bewundern und jubelnd begrüßen. Die Stadt Mainz war
zu klein, all die herbeigeströmten aufzunehmen. Da hatte der Kaiser Mainz gegenüber auf
dem rechten Ufer des Rheins in einer anmutigen Ebene eine neue Stadt aus holz aufführen
lassen. In der Mitte erhob sich da, aus hol; kunstvoll gezimmert, die kaiserliche Pfalz,
daneben, gleichfalls aus holz, eine zierliche Kapelle; rundum reihten sich an in unzähliger
Menge die Wohnungen der Edeln und Dornehmen; daran schlossen sich Leinwandzelte
und Laubhütten für das niedere Doli Wohin das Auge sich wandte, erfreute es sich au
bunten Teppichen, an Blumen und Kränzen, an wehenden Zahnen. Alle, die da zu¬
sammenkamen, sollten des Kaisers Gäste sein. Daher hatte er das Beste von Speise und
Trank, was jene blühenden Gegenden am Rhein und am Main darboten, auf Schiffen
herbeischleppen lassen, auf daß allen die köstlichste Bewirtung zuteil werde. Das bunteste
Leben entfaltete sich da. fahrende Sänger sangen dem lauschenden Dolfe von dem Drachen¬
töter Siegfried und von dem verderbenden Streite der beiden Königinnen Kriemhilde und
Brunhilde; sie sangen von den wundersamen Abenteuern der Helden Karls des Großen.
Andere priesen im Liede die Zrühlingslust im blühenden Mai und die Zreude des Mannes
am rühmlichen Streite, hier fesselten Seiltänzer und Gaukler die Schaulust der Menge, dort
erregten die Späße von Zwergen und Narren unbändiges Gelächter, An andern (Drten er¬
götzte man sich im Grünen am Tanze; in langer Kette bewegten sich da Männer und
Stauen, einander paarweise an der Hand haltend, dahin und ahmten zierlich die künstlich
abgemessenen Schritte und Stellungen des Dortänzers an der Spitze nach. Anderswo wurde
geschmaust; unaufhörlich freiste der Becher mit dem süßen wein und die Kanne mit dem
schäumenden Honigbier. Überall herrschten Lust und $röhlichfeit. Seinen Höhepunkt er¬
reichte das Zest, als der Kaiser seinen Söhnen Heinrich und Friedrich den Ritterschlag erteilte.
Die ganze Rächt hatten die beiden Jünglinge, von denen der ältere vielleicht 20 Jahre
alt war, in der Kapelle zugebracht. Durch Gebet sollten sie sich hier in würdiger weise
auf den Ritterschlag vorbereiten. Am Morgen hatten ihnen Knappen und Pagen die
Ritterkleidung angelegt. Über das enganliegende Ledergewand zogen sie die Rüstung
aus feinem Drahtgeflecht, das sich biegsam dem Körper anschmiegte. Brust und Rücken
umhüllte ihnen darüber der bunte wappenrock, der mit dem kaiserlichen Wappentier,
dem schwarzen Adler, vielfach geziert war. Goldene Sporen schnallten sie ihnen an und
setzten ihnen den ehernen Helm aufs Haupt. Dann ergriffen die Jünglinge die gewölbten
Schilde aus festem Stahl, die von goldenen Zieraten erglänzten, und die langen Lanzen
aus Eschenholz. Dor der Kapelle schwangen sie sich auf die prächtigen Streitrosse und
sprengten zu dem großen freien Platze hin, wo alle ihrer harrten. Auf hohen Holzgerüsten
saßen da in voller Erwartung die Dornehmen, Männer und brauen; Schranken aus
holz hielten die Menge ab, die nach Tausenden zählte. An der Seite seiner Gemahlin
sah der Kaiser den ritterlichen Künsten seiner Söhne zu, die sie vor allen Zuschauern an
den Tag legten. Dann stieg er hinunter in die Mitte des von den Schranken umzäunten
Raumes. Nachdem seine Söhne feierlich versprochen hatten, als Ritter die Schwachen
zu beschirmen, die Waisen zu schützen, den christlichen Glauben zu verteidigen, erteilte
er ihnen den Ritterschlag. Mit der flachen Schwertklinge schlug er jedem dreimal quer
über die Schultern und sprach zuletzt dabei: „Dies sei der letzte Schlag, den du empfängst,
ohne ihn zu erwidern und zu vergelten." Darauf gürtete er sie selbst mit dem Schwerte,
auf daß sie nunmehr wehrhaft seien. Er führte sie zur Kaiserin hin, die ihre Söhne mit
der ritterlichen Binde schmückte. Dann wurde ein allgemeines Kampfspiel abgehalten.
Einzeln und in Scharen zusammengestellt, wetteiferten da die Ritter miteinander in
der Sührung der Waffen und im Tummeln der Rosse. Auch der Kaiser nahm teil an diesen
ritterlichen Spielen; er zeigte, daß er es noch immer darin mit jedem aufnehmen konnte.
Solchen Derlauf nahm das Zest. Befriedigt schieden alle. Unvergleichlich schöne Tage
hatten sie verlebt. Rie hatte sich das Ansehen des Kaisers so groß gezeigt; nie hatte sich
die Macht des Reiches so glänzend entfaltet. Die Dichter und Sänger aber trugen die
Klar-palm, Geschichte. 2