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5* Untergang des Mendentums. Besiedelung des Ostens.
1. Niclot. Im westlichen Wendenland, um Lübeck herum bis hinauf etwa
nach Kiel (Wagrien und Polabien) herrschte Pribislaw I., der raubend in Hol¬
stein einfiel. Gegen ihn sandte Heinrich der Löwe die Grafen von Holstein und
Ratzeburg. Sie drängten Pribislaw in die Gegend von Oldenburg und Lütjen-
burg zurück. Viele Wenden flohen zur See, um sich nun ganz dem Seeraub
hinzugeben. In dieser Zeit entstand das deutsche Lübeck. — Aber die schwersten
Kämpfe sollten noch kommen. Im Obotritenlande war Niclot, ein tapferer
und edler Mann, der Fürst der Wenden. Klug hielt er Freundschaft mit den
Deutschen, besonders mit seinem Nachbar, Adolf von Holstein. Aber auf dem
Reichstag in Frankfurt a. M. war der Kreuzzug gegen die Wenden beschlossen.
Heinrich der Löwe, der ihn auszuführen hatte, zog gegen das Obotritenland
Niclot bat seinen Freund, den Grafen von Holstein, um Hilfe. Graf Adolf aber
stand ihm nicht bei, weil er Angst hatte vor dem Kirchenbann. Über diese Treu¬
losigkeit war Niclot außer sich vor Zorn. Er hatte des Grafen Land gegen die
Wenden schützen wollen. Das wurde ihm schlecht gedankt. Ehe die Deutschen
herankamen, fiel er in Holstein ein und hauste schrecklich. Lübeck wurde zerstört.
Als bei Wismar die Dänen erschienen, sandte Niclot gegen sie die mit ihm
verbündeten Raanen. Die Dänen mußten weichen. Bor dem Kreuzsahrerheer,
das von Süden gegen Malchow vorrückte, flohen die Wenden in die Wäldes
Um die Sachsen ganz wieder loszuwerden, ließen Niclots Scharen sich zum
Schein im Schweriner See („De Döp") taufen. Da zogen die Kreuzfahrer ab,
sie mußten aber bald wiederkommen, weil Niclot, der sich vor Heinrich wegen
Räubereien verantworten sollte, einfach nicht erschien, sondern sich zum Kampf
bereitmachte. Er zerstörte alle seine westlich gelegenen Burgen und zog sich auf
Werle zurück, wo er schließlich gefallen ist.
.tie Burg Werle lag in der Nähe des Dorfes Wiek bei Schwaan in unzugänglichen
Warnowsümpfen. Täglich machten die Wenden Ausfälle. Als einmal Niclots Söhne
fast ihr ganzes Gefolge verloren hatten und allein zurückkamen, sagte der Fürst: „Ich
glaubte Männer erzogen zu haben, und ihr flieht wie Weiber?" Zu einem Rachezug
machte Niclot sich selber auf, begleitet von wenigen Kriegern. Bald sah er eine fried¬
liche Schar Ackersleute. Er raste darauf zu und schleuderte den Speer auf den ersten
besten. Aber die Waffe prallte ab. Niclot hatte verkappte Ritter vor sich. Zum Fliehen
war es zu spät. Er wird umringt und niedergestoßen und sein Haupt ins Sachsenlager
gebracht. Dort ist mit dänischen Kriegern Niclots Sohn, der von seinem Vater ent¬
flohene und getaufte Pribislaw, anwesend, der in den Jubel der Sachsen über Niclots
Tod mit einstimmt. Er soll gesagt haben: „Dem Gotteslästerer geschieht ganz recht."
2. Die Söhne Niclots, Pribislaw und Wertislaw, setzten den Kampf gegen
Heinrich fort. Wertislaw wurde gefangen genommen und zur Warnung für
fernen Bruder nach der Eroberung von Malchow (durch die Sachsen) erhängt.
Nach der Niederlage ant Kummerower See gab Pribislaw den Widerstand auf.
1167 Heinrich gab ihm das Obotritenland ohne das Land Schwerin (1167).
Pribislaw wurde durch feine Frau Woizlawa ein Christ.
Niclot und Pribislaw sind die Stammväter unseres jetzigen Fürstenhauses. Pribislaw
und der Graf von Schwerin, Gunzelin von Hagen — früher Statthalter des Obotriten-
landes — wurden 1170 deutsche Reichsfürsten. Um diese Zeit erbauten Zisterzienser¬
mönche das Kloster Althof. Pribislaw starb bei einem Turnier in Lüneburg. Seine
Gebeine sind später nach Doberan gebracht.