Object: Lesebuch für Fortbildungsschulen

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vollendet hatte, setzte sie sich mit ihren Lieben an den Tisch, um mit 
ihnen zu beten. 
Es war alle Samstage ihre Gewohnheit, den Kindern in der 
Abendgebetstunde ihre Fehler und auch die Vorfälle der Woche, die ihnen 
wichtig und erbaulich sein konnten, ans Herz zu legen, und heute war 
sie besonders eingedenk der Güte Gottes gegen sie in dieser Woche und 
wollte diesen Vorfall, so gut ihr möglich war, den jungen Herzen tief 
einprägen, daß er ihnen unvergeßlich bleibe. Die Kinder saßen still um 
sie her, falteten ihre Hände zum Gebete, und die Mutter redete also 
mit ihnen: 
Ich habe euch etwas Gutes zu sagen, Kinder! Der Vater hat in 
dieser Woche eine gute Arbeit bekommen, an der sein Verdienst viel 
besser ist, als an dem, was er sonst thun mußte. Kinder, wir dürfen 
hoffen, daß wir in Zukunft das tägliche Brot mit weniger Sorgen und 
Kummer haben werden. Danket, Kinder, dem lieben Gott, daß er so 
gut gegen uns ist, und denket fleißig an die Zeit, wo ich euch jeden 
Mund voll Brot mit Sorgen und Angst abteilen mußte. Es that mir 
da manchmal von Herzen weh, daß ich euch so oft nicht genug geben 
konnte; aber der liebe Gott im Himmel wußte schon, daß er helfen 
wollte, und daß es besser für euch sei, meine Lieben, daß ihr zur Armut, 
zur Geduld und zur Überwindung der Gelüste erzogen würdet, als daß 
ihr Überfluß hättet. Denn der Mensch, der alles hat, was er will, 
wird gar zu gern leichtsinnig, vergißt seines Gottes und thut nicht das, 
was ihm selbst das nützlichste und beste ist. Kinder, denket doch, so 
lange ihr leben werdet, an diese Armut und an alle Not und Sorgen, 
die wir hatten, und wenn es jetzt besser geht, Kinder, so denkt an die. 
so Mangel leiden, wie ihr Mangel leiden mußtet. Vergeßt nie, wie 
Hunger und Mangel ein Elend sind, damit ihr mitleidig werdet gegen 
den Annen und, wenn ihr etwas besitzt, was ihr entbehren könnt, es 
ihm gern gebt. Nicht wahr, Kinder, ihr wollt es gern thun? „O ja, 
Mutter, gewiß gern!" sagten alle Kinder. 
4. Das Wunderkästchen. 
Eine Frau hatte in ihrer Haushaltung allerlei Unglücksfälle, und 
ihr Vermögen nahm jährlich ab. Da ging sie in den Wald zu einem 
alten Einsiedler, erzählte ihm ihre betrübten Umstände und sagte: „Es 
geht in meinem Hause einmal nicht mit rechten Dingen zu. Wißt Ihr 
kein Mittel, dem Übel abzuhelfen?" 
Der Einsiedler, ein fröhlicher Greis, hieß sie ein wemg warten, 
brachte über ein Weilchen ein kleines, versiegeltes Kästchen und sprach: 
„Dieses Kästchen müßt Ihr ein Jahr lang dreimal des Tages und 
dreimal bei Nacht in Küche, Keller und Stallung und allen Winkeln
	        
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