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Worms auch Jonas angeschlossen, der bei der Abreise wohl unter jenen
zwanzig Reitern gewesen war. Wir hören dann von zwei Wagen, in welchen
Luther und seine Genossen fuhren. Die übrigen also, außer Amsdorf
und Petzensteiner, reisten jetzt nach Gotha weiter. Mit diesen dagegen
fuhr Luther rechts ab über den Thüringer Wald zu seinen Verwandten,
die dort in der Nähe und namentlich in Möhra wohnten.
Es war daraus angelegt, daß die Handluug, die der Kurfürst
Friedrich mit ihm vorhatte, nicht im Beisein seiner Freunde und nicht
an der großen Hauptstraße ausgeführt wurde. Am 3. in Möhra an¬
gekommen, war er hier bei seines Vaters Brnder Heinz zu Gaste und
predigte am folgenden Vormittag, Sonnabend den 4. Mai: nach der
Ueberlieferung wohl nicht in der Kirche, sondern im Freien. Nachdem
er dann noch mit Verwandten und Freunden in einem Garten nahe
dem Pfarrhaus Mittagsmahl gehalten hatte, brach er anf in der Richtung
nach Gotha. Der Weg dahin führte über Schweina, Schloß Altenstein,
weiter übers Waldgebirge nach Waltershausen. Sein Oheim Heinz und
andere Verwandte, alte und junge, begleiteten ihn bis in die Nähe des
Altensteins, wo sie bei Anbruch des Abends sich von ihm verabschiedeten.
Luther fuhr noch eine kurze Strecke hinter dem Altenstein weiter,
bis die Straße zwischen den bewaldeten Hügeln hinanstieg. Da sprengte
ein Trupp von fünf bewaffneten Reitersleuten gegen seinen Wagen an.
Noch zeigt man heutzutage die Stelle: jenseits des Glasbaches an einem
Brunnen, bei den Resten einer alten, jetzt vom Blitz zerstörten und ab¬
gedorrten Buche. Bruder Petzensteiner sprang, als er die Bewaffneten
sah, aus dem Wagen und lies davon, Waltershausen zu. Die Reiter
nötigten in einem Hohlwege mit vorgehaltener Armbrust den Fuhrmann
stillzustehen und zu sagen, wen er bei sich habe. Darauf rissen sie
Lnther_ heraus und fluchten auf ihn los. Amsdorf, den Luther auf
eiuen solchen Ueberfall vorbereitet hatte, schalt über die rohe Gewalttat,
damit der Fuhrmaun nichts merke. Ihn und den Fuhrmann ließen
die Reiter weiterziehen. Mit Luther eilten sie in den Wald hinein.
Bis er jenen ans den Augen war, ließen sie ihn schnell neben den
Pferden herlaufen, und zwar schlugen sie, um zu täuschen, zuerst die
Richtung ostwärts gegen Brotterode hin ein. Dann setzten sie ihn auf
ein Pferd und zogen noch auf Umwegen bis gegen 11 Uhr nachts mit
ihm umher, um ihn endlich sicher auf der Wartburg bei Eisenach, im
Norden von Möhra, abzuliefern.
Auf diesem Schlosse seines Kurfürsten sollte er jetzt ganz im ge¬
heimen verwahrt werden; ja Kurfürst Friedrich wollte selbst den Ort
nicht wissen und hatte seine Räte beauftragt, denselben zu bestimmen.
Seinem Schloßhauptmann Hans von Berlepsch und auch dem in Friedrichs
Diensten stellenden Ritter Burkhard Huud, dem der Altenstein gehörte,
waren die hierfür nötigen Weisungen erteilt. Luther wurde auf der
Wartburg als „Junker Georg" behandelt, erhielt die dazu passende ritter¬
liche Kleidung und mußte sich beit Bart und die Haupthaare (statt der
Möuchstousur) wachsen lassen. Den Ort, wohin er gebracht war, kannte
auch Amsdorf nicht. Das letzte, was die Möhraer Verwandten über