Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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erschien er als gemeiner Russe in vaterländischer Tracht und ließ 
sich unter dem Namen Peter Michaelow in die Liste der Werk¬ 
leute eintragen. Er bewohnte sieben Wochen lang ein einfaches 
Häuschen, bereitete sich selbst sein Lager und seine Speisen, führte 
den Briefwechsel mit seinen Ministern und arbeitete zugleich mit 
seinem Zimmermannsbeile an Mast und Kiel. Noch jetzt zeigt 
man zu Saardam die Hütte, welche er bewohnte. Seine Mit¬ 
gesellen nannten ihn nicht anders als Peter Baas, d. i Meister 
Peter. Auch die Werkstatt der Schmiede, Tauschlager und 
Segelmachec besuchte er fleißig und erkundigte sich nach Allem. 
Hierauf begab er sich nach Amsterdam zurück und ließ ein Krie¬ 
gesschiff von sechszig Kanoilen unter seiner Aufsicht bauen, das 
er, mit Seeleuten, Offizieren, Bauleuten und Künstlern versehen, 
nach Archangel schickte. 
Im Jahre 1698 schiffte er nach England. Zu London 
that sich wieder eine neue Welt vor ihm auf. Nichts entging 
seiner Aufmerksamkeit; Alles ließ er sich erklären und schickte dann 
einzelne Modelle in seine Heimath, sogar von einem Sarge. Vor¬ 
züglich erregte das englische Seewesen seine Aufmerksamkeit. Der 
König Wilhelm veranstaltete ihm zum Vergnügen ein kleines 
Seetreffen. Ein so furchtbar schönes Schauspiel hatte er noch 
nie gesehen. „Wahrlich, — rief er verwundert aus — wäre 
ich nicht zum Ezaren von Rußland geboren, so mögte ich eng¬ 
lischer Admiral sein!" Über fünfhundert Engländer nahm er in 
seine Dienste. Nach einem dreimonatlichen Aufenthalte begab er 
sich durch Holland über Dresden nach Wien. Als er aber im 
Begriffe war, Italien zu besuchen, erhielt er die Nachricht von 
einer neuen Empörung der Strclitzen. Ergrimmt eilte er nach 
Moskau zurück und hielt, da der Aufruhr durch seinen General 
Gordon bereits gedampft war/ ein furchtbares Gericht. Der größte 
Verdacht siel wieder auf seine Schwester Sophie. Da sie aber 
iede Theilnahme ableugnete, zog er wüthend sein Schwert und 
würde sie nieder-gestoßen haben, hatte sich nicht ein Kammermäd¬ 
chen dazwischen geworfen, laut schreiend: „Halt, es ist deine 
Schwester!" Bei diesen Worten entfiel dem Czar das Schwert;
	        
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