jetzt erst begann die Verfolgung derselben in großartigem Stil und 
wütete das ganze 16. Jahrhundert und die drei ersten Viertel des 17. 
hindurch mit brutalster Grausamkeit. 
Die Heren bezeichnet der Heienhammer (ein Buch über das 
Herenwesen), als „Leute, welche Gott verleugnen, ihm und seiner 
Gnade entsagen, mit dem Teufel einen Bund machen, sich ihm mit 
Leib und Seele ergeben, seine Zusammenkünfte besuchen, von ihm 
Giftpulver und als seine Untertanen den Befehl erhalten, Menschen 
und Tiere zu quälen und umzubringen, und welche durch seine ihnen 
mitgeteilte Wunderkraft Gewitter machen, die Saaten, Wiesen, Baume, 
Gartengewächse beschädigen und die Kräfte in der Natur verwirren". 
Die Verfolgungswut kehrte sich besonders gegen das schwächere 
und schönere Geschlecht. In der germanischen Vorzeit standen die 
Priesterinnen und Prophetinnen in besonderem Ansehen. Einzelne 
Runen uralter Wahrsagekunst mochten von Geschlecht zu Geschlecht 
fortgeraunt worden sein, bis in die christliche Zeit herein. Da kamen 
nun Frauen, welche noch von den alten Göttern und ihrem Dienst 
wußten, ganz leicht in den Verdacht einer Verbindung mit den Mächten 
der Hölle; denn die alten Götter erschienen ja dem christlichen Bewußt¬ 
sein von vornherein als Teufel. Im 16. und 17. Jahrhundert nun, 
jener herzlosen Zeit, wurde durch den Herenwahn dem Haß, dem 
Neid und der Rache der Menschen Tür und Tor geöffnet. Man 
konnte seiner Feinde bequem ledig werden, wenn man sie der Hererei 
anklagte. Nichts gewährte Schutz vor diesem Schicksal. Ungewöhn¬ 
liche Schönheit wie ungewöhnliche Häßlichkeit, außerordentliche Einfalt 
wie hervorragender Verstand, Armut wie Reichtum, Gesundheit wie 
Krankheit, Tugend und Laster, Vorzüge und Gebrechen, guter und 
schlechter Ruf: alles konnten Kennzeichen einer richtigen Here sein. 
23rach irgendwo eine ansteckende Krankheit aus, die Heren hatten sie 
angerichtet; grassierte eine Viehseuche, mißriet Getreide und Futter, 
fiel Hagel, kam Wassers- und Feuersnot, gab eine Kuh schlechte 
Milch, krepierte ein Schwein, ging etwas verloren oder wurde etwas 
gestohlen: überall war die Hererei im Spiel. 
War die Angeschuldigte auf irgend eine Angeberei hin in Haft 
gebracht, so wurde ein Verhör mit ihr angestellt. Die verfänglichste 
Frage war, ob die Angeschuldigte an Heren glaube. Verneinte sie 
die Frage, so war sie auf alle Fälle als Ketzerin des Todes schuldig; 
bejahte sie dieselbe, so mußte „sie mehr von der Sache wissen". In 
jedem Falle wurde sie einstweilen ins Gefängnis geworfen. Waren 
diese Kerker mit ihrem Dunkel, ihren Ketten, ihren Kröten, ihren 
Ratten, ihrer Kälte, ihrer Nässe, ihrer faulen Luft und ihrem Un¬ 
geziefer nicht ausreichend, die Here mürbe zu machen, so versuchten 
es Beichtväter und Verhörrichter mit Drohungen und Versprechungen. 
233 
Georg-Eckert-lnstitUl 
für inte ationale 
Schulbuchforschung 
Braunschweig 
Schulbuchbibliothek
	        
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