66 Zweiter Abschnitt.
das durch Parteizwist, Gesetzlosigkeit und Vernachlässigung
der Kultur sein Schicksal selbst verschuldet hatte. Das Land
war verödet; Handel nnd Gewerbe lagen darnieder; der
Bauer schmachtete unter dem Drucke der Leibeigenschaft. —
Die erste Teilung Polens fand 1772 statt. Friedrich bekam
Westpreußen, Ermeland und deu Netzedistrikt, welche Länder
etwa 300 Jahre früher dem deutschen Orden entrissen worden
waren. Deutsche Kultur brachte auch hier allmählich wieder
bessere Verhältnisse hervor*).
Friedrich war besorgt, seine in dem Kriege teilweise
außerordentlich heruntergekommenen Provinzen wieder zu
heben, wie er überhaupt dem Aufschwünge der Landwirtschaft
große Sorge angedeihen ließ. Um den Hopfenbau zu be¬
günstigen, ließ er die Hopfeneinfuhr ganz verbieten. Den
Anbau der Kartoffeln nahm er gegen das unwissende Volk
in Schutz, welches dieselben als „Teufelswurzeln" haßte.
Überhaupt war es ihm darum zu thun, daß möglichst wenig
Geld ins Ausland gehe; deswegen ließ er auch den Kaffee
zum höchsten Preise verkaufen, und aus eine Beschwerde der
hiuterpommerscheu Laudstäude gab er zur Antwort: „Das ist
mit die Absicht, daß nicht so viel Geld für Kaffee aus dem
Lande gehen soll. Übrigens sind Seine Königliche Majestät
höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe erzogen worden,
mithin können die Leute dorten ebenso gut mit Biersuppe
erzogen werden. Das ist viel gesünder als der Kaffee." Für
den Handel that Friedrich ebenfalls sehr viel und unterstützte
die Einrichtung von Papier- und Porzellanfabriken. Von
dem Geiste eines solchen Fürsten geleitet, war es nicht zu
verwundern, daß Preußen damals als Mnsterland galt.
Schwerer aber als gewinnen ist das Erhalten. Das ver¬
standen seine nächsten Nachfolger nicht, und 20 Jahre nach
seinem Tode sehen wir den Ruhm des großen Friedrich von
seinem Lande gewichen, dieses besiegt und beschimpft zu den
Füßen eines Fremdlings liegen, jedoch nur, um geläutert
und verjüngt ans dieser Erniedrigung zu größerem Glanze
hervorzugehen.
*) Die zweite Teilung Polens geschah,, 1793, die dritte 1795.
Rußland nahm 8500, Preußen bekam 2600, Österreich 2100 Q. M.