Full text: Deutsches Lesebuch für Mittel- und Oberklassen der Volksschulen

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an der Tür den König erwarteten, der ihnen Almosen zu reichen 
pflegte. Wittekind saß auf den Stufen, hielt sein Auge fest auf 
den aus der Kirche tretenden Karl geheftet, in dessen ernsten, 
schönen Zügen noch Andacht und Begeisterung ruhten, und streckte 
um unerkannt zu bleiben auch seine Hand nach Almosen aus. 
Aber Karls durchdringender Blick erkannte in dem kräftigen, aus¬ 
drucksvollen Antlitz gar bald den Helden, der ihm den Kopf so 
oft heiß gemacht hatte. 
„Ich habe hier kein Almosen für dich; aber ich will dir 
ein köstlicheres gewähren, wenn du mir folgst!" sprach Karl, 
reichte ihm sanft die Hand und führte ihn in sein Gemach. Nach 
einer langen, ernsten Unterredung lagen sich die früheren Glaubens¬ 
feinde endlich in den Armen und Wittekind, der dem grausamen 
Beherrscher der Franken nimmer weichen wollte, beugte sich jetzt 
in stiller Demut vor dem christlichen Könige. 
WitLekind und Albion bekannten sich alsbald öffentlich zum 
christlichen Glauben und wurden im Beisein Karls des Großen 
auf das feierlichste getauft. Dem Beispiele seiner Fürsten folgte 
willig das ganze Volk der Sachsen, und was in 32 Jahren dem 
Schwerte nicht möglich gewesen war, errangen in kurzer Zeit der 
Glaube und die Liebe. C. v. Houwaid. 
43» Von den Giftpflanzen. 
1. Gift nennen wir im gewöhnlichen Leben alle äußeren 
Stoffe, welche eine heftige und verderbliche Wirkung auf den 
menschlichen oder tierischen Körper hervorbringen. 
Giftige Erzeugnisse gibt es in allen drei Naturreichen. 
Wer hätte nicht schon von giftigen Schlangen gehört, z. B. der 
Klapperschlange, deren Biß oft in wenigen Minuten tötet? 
Gottlob! in unserm Vaterlande sind böse Gäste dieser Art nicht 
häufig. Das Mineralreich liefert den schrecklichen Arsenik; doch 
dieser wird in der Regel in den Apotheken wohl verwahrt. Aber 
das Pflanzenreich hat sein Gift so offen ausgestellt in Gärten, 
auf Wiesen, in Wäldern, daß eine Belehrung und Warnung der 
Unkundigen gar not tut. Starben doch vor einigen Jahren 
wieder in Berlin drei Kinder, weil sie von einer Wurzel des 
Wasserschierlings gegessen hatten. 
Der Wasserschierling ist eine der gefährlichsten Gift¬ 
pflanzen; er wird auch Parzenkraut oder giftiger Wüterich ge¬ 
nannt. Seine Wurzel hat einige Ähnlichkeit mit Sellerie oder 
auch mit Pastinak und unverständige und naschhafte Kinder
	        
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