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gar nicht. Als ihn einer seiner Ritter fragte: „Herr, wo ist denn
Euer Schatzmeister?", antwortete er gleichmütig: „Ich habe keinen
Schatz, fünf Schillinge sind mein ganzes Gut; aber der Herr, der
mir immer beigestanden hat, wird mich auch jetzt nicht verlassen."
Mit einer kleinen Schar von Rittern und Mannschaften aus dem
Elsaß und Schwaben zog Rudolf über Regensburg und Passau nach
Östreich. Aber das Glück war ihm günstig. Einer seiner Freunde
hatte schon Kärnten und Krain fast ohne Schwertstreich erobert;
der Adel und die Geistlichen in Österreich, die von Ottokar hart
unb ungerecht behandelt worden waren, fielen Rudolf zu, und in
Böhmen brach eine Empörung gegen Ottokar aus. Als nun Rubolf
gar noch im Nu eine von ihm selbst erbachte Schiffbrücke über bie
Donau schlug, um die auf dem linken Ufer lagernden Böhmen
anzugreifen, da verlor Ottokar den Mut und begann zu unterhandeln.
Endlich kam der Vertrag zustande: Ottokar verzichtet auf bie
Reichslande, wirb aber mit Böhmen unb Mähren belehnt und von
der Reichsacht befreit.
Die feierliche Belehnung erfolgte öffentlich in Rudolfs Lager.
Ottokar kam an der Spitze eines glänzenden Gefolges in königlicher
Pracht, schimmernd von Gold und Edelsteinen. Rudolf aber hatte
feinen Ritttern befohlen: Leget eure Waffen an, rüstet eure Streit¬
rosse, stellt euch in Reihen an beiden Seiten des Weges auf
unb zeiget ben freniben Völkern ben Ruhm ber beutfchen Waffen!
Er selbst behielt seine schlichte Felbkleibung an unb als ihn jemanb
fragte, ob er nicht auch königlichen Schmuck anlegen wolle, ant¬
wortete er: „Nein! der König von Böhmen hat oft über mein
graues Wams gelacht, heute soll mein graues Wams einmal
über ihn lachen!" Und so kniete denn ber golbftrahlenbe König
vor bem Mann im grauen Wams nieder unb erhielt nach betn
üblichen Schwur bie Belehnung mit Böhmen unb Mähren. Rubolf
aber blieb in Österreich und stellte baselbst Drbnung unb Lanb-
frieben her.