Full text: Vaterländische Geschichte

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12. Die Zustände in Mayern am Gnde des Mittel¬ 
atters. 
«Bürger und Bauern um 1500.) 
„Arbeit ist des Bürgers Zierde, 
Jegen ist der Mühe Preis. 
Ehrt den König seine Würde, 
Ehret nns der Hände Fleiß!" 
Schiller. 
Unsere Vorfahren lebten in alter Zeit auf Einzelhöfen oder in Dörfern. 
Erst Kaiser Heinrich der Finkler ließ Burgen und Städte baue», die er aber 
zwangsweise bevölkern mußte, weil die Deutscheu das ungebundene Leben 
auf dem Lande mehr liebten als ein Dasein hinter hoheu Stadtmauern. 
Die Bewohner der Städte hießen, weil ihre Häuser gewöhnlich bei einer 
Burg augelegt wurden, Bürger. Die frühere Scheu vor deu Städtern 
war jetzt verschwuudeu und es begann sich bei den Bauern die Lust zu 
regeu, Bürger der Städte zu werdeu. Jahrhunderte laug war Bayern 
fast ausschließlich eiu Laud der Ackerwirtschaft. Die Wilduis auszuroden 
und in fruchtbares Land zu verwandeln, das war die Hauptaufgabe der 
vorangegangenen Zeit. Jetzt beginnt die Blüte der Städte, die unter 
den Kaisern gar viele Freiheiten errungen hatten, und jenes Streben 
des Landvolkes in die Stadt zu ziehen, das heute noch fortdauert und das 
fich bei der letzten Volkszählung wieder aufs neue zeigte. Die Seelen¬ 
zahl in allen großen Städten nimmt fortgesetzt zu und zwar schneller als 
die der Landbevölkerung. 
Es gab gegen Ende des Mittelalters viele Städte, welche unter keinem 
Fürsten, sondern unmittelbar unter dem Kaiser standen, sie hießen Reichs¬ 
städte; daneben gab es auch „Reichsdörfer". Die berühmtesten Reichs¬ 
städte in Süddeutschland waren Nürnberg, Augsburg und Regensburg. 
München war zwar keine reichsfreie Stadt, hatte aber viel Rechte uud Frei¬ 
heiten, die ihre Bürger wohl zu wahren und im Notfälle auch richtig zu ver¬ 
teidigen wußten. Die Städte des Mittelalters waren vou den unfern in 
Bauart und Einrichtung sehr verschieden. Wer jemals uach Nürnberg 
oder Rothenburg o/Tauber kommt, der kann an diesen Städten heute 
noch sehen, wie zu jener Zeit gebaut wurde. Jede Stadt war wie die 
Burgen von einer Mauer und von einem tiefen Graben umgeben. In 
die Mauer waren größere oder kleinere Türme gebaut. Trat man durch 
das von einem Turm geschützte Stadttor ein, so gelangte man in enge 
Gassen: denn die Häuser standen nahe beisammen und würden hänsig noch 
nach oben von Stockwerk zu Stockwerk breiter. Es war gerade, als wollte 
man der Luft und dem Licht den Zutritt möglichst erschweren. Wir denken 
freilich anders. Frische Luft und der liebe Sonnenschein sind uns herzlich
	        
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