Mommsen: C. Julius Cäsar.
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Peliden hervor. In so lebendigen, wirkungsvollen Zügen giebt uns der Dichter
ein Bild heroischer Freundschaft.
257. C. Julius Cäsar.
Von Theodor Mommsen. Römische Geschichte. Berlin. 1861.
C. Julius Cäsar stand im 54.' Lebensjahr, als die Schlacht bei Thapsus,
das letzte Glied einer langen Kette folgenschwerer Siege, die Entscheidung über
die Zukunft der Welt in seine Hände legte. Weniger Menschen Spannkraft ist
also auf die Probe gestellt worden wie die dieses einzigen schöpferischen Genies,
das Rom, und des letzten, das die alte Welt hervorgebracht hat. Er war der
Sprößling einer der ältesten Adelsfamilien Latiums, welche ihren Stammbaum
auf die Helden der Ilias und die Könige Roms zurückführte. Der biegsame
Stahl seiner Natur widerstand dem windigen Treiben der damaligen Römischen
Jugend; Cäsar blieb sowohl die körperliche Frische ungeschwächt wie die Spann¬
kraft des Geistes und des^ Herzens. Im Fechten und Reiten nahm er es mit
jedem seiner Soldaten auf, und sein Schwimmen rettete ihm bei Alexandria das
Leben; die unglaubliche Schnelligkeit seiner des Zeitgewinns halber gewöhnlich
nächtlichen Reisen war das Erstaunen seiner Zeitgenossen und nicht die letzte
Ursache seiner Erfolge. Wie der Körper war der Geist. Sein bewunderns¬
würdiges Anschauungsvermögen offenbarte sich in der Sicherheit und Ausführ¬
barkeit aller feiner Anordnungen, selbst wo er befahl, ohne mit eigenen Augen
zu sehen. Sein Gedächtniß war unvergleichlich, und es war ihm geläufig, meh¬
rere Geschäfte mit gleicher Sicherheit neben einander zu betreiben. Bei aller
Größe feines Geistes und seiner Stellung hatte er dennoch ein Herz. So lange
er lebte, bewahrte er für seine würdige Mutter Aurelia — der Baker starb ihn:
früh — die reinste Verehrung; seinen Frauen und vor Allem seiner Tochter
Julia widmete er eine echte Zuneigung. Mit den tüchtigsten und kernigsten
Männern seiner Zeit, hohen und niederen Ranges, stand er in einem schönen
Verhältniß gegenseitiger Treue, mit jedem nach seiner Art. Wie er selbst in
guter und böser Zeit unbeirrt an den Freunden festhielt, so haben auch von
diesen manche, wie Aulus Hirtins und Casus Matius, noch nach seinem Tode
ihm in schönen Zeugnissen ihre Anhänglichkeit bewährt. Seine Leidenschaft war
niemals mächtiger als er. Wenn Alexander sich dem Weine ergab, so mied der
nüchterne Römer nach seiner Jugendzeit denselben durchaus. Die Literatur be¬
schäftigte ihn lange und ernstlich; aber wenn den Alexander der Homerische Achill
nicht schlafen ließ, so stellte Cäsar in seinen schlaflosen Stunden Betrachtungen
über die Beugungen der Lateinischen Haupt- und Zeitwörter an; ihn reizten
astronomische und naturwissenschaftliche Gegenstände. Cäsar war durchaus Ver¬
standesmensch. Seiner Nüchternheit und Verstandesklarheit verdankte er das
Vermögen, unbeirrt durch Erinnern und Erwarten, den gegenwärtigen Augenblick
zu erfassen, auch dem kleinsten und beiläufigsten Beginnen seine volle Kraft zu¬
zuwenden; ihr die sichere Leichtigkeit, mit welcher er seine Perioden fügte und
seine Feldzugspläne entwarf; ihr die wunderbare Heiterkeit, die in guten und
bösen Tagen ihm treu blieb; ihr die vollendete Selbständigkeit, die keinem Lieb¬
ling, ja nicht einmal dem Freund Gewalt über sich gestattete; ihr den Gewinn,
daß er sich über die Macht des Schicksals und das Können der Menschen nie¬
mals Täuschungen machte.
. Aus einer solchen Anlage konnte nur ein Staatsmann hervorgehen. Von
seinem öffentlichen Auftreten an war denn auch Cäsar ein Staatsmann im tief¬
sten Sinne des Wortes und sein Ziel das höchste, das dem Menschen gestattet