Full text: Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart

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Schweiz und die Gemeinden am Bodensee: in Bern, Zürich, Winterthur, 
Schaffhausen, in St. Gallen, Lindau, Ueberlingen, Constanz 
wurden die Juden durch Scheiterhaufen, Taufe oder Vertreibung aufgerieben. 
In Basel wurden sie in ein hölzernes Haus auf einer Rheininsel gebracht und 
dann zusammen mit dem Hause verbrannt. In Constanz (Costnitz), wo man dem¬ 
jenigen das Leben schenkte, der zum Christenthum übertrat, zündete ein so Be¬ 
gnadigter sein Haus an und rief aus der brennenden Wohnung: „Ich sterbe 
als Jude“. 
Am grausamsten wurde die Judenverfolgung in Deutschland betrieben. Zu 
allem Unglück regten ganze Scharen herumziehender Religionsschwärmer, welche 
mit Geissein, an denen eiserne Nägel befestigt waren, angesichts des Volkes den 
entblössten Leib zerfleischten und daher Geissler oder Flagellanten ge¬ 
nannt wurden, überall das ohnedies fanatisirte Volk gegen die Juden noch mehr 
auf; aller Orten mordete es in frommer Raserei. Zu Tausenden wurden die 
Juden erschlagen, verbrannt, ersäuft, zu Tausenden starben sie auf der Flucht 
vor Hunger. Wer kann alle die Gemeinden aufzählen, die dem Aberglauben und 
der Volkswuth zum Opfer fielen! In Strassburg, wo wie in Köln der Rath 
sich der Juden vergebens annahm wurde die ganze Gemeinde, 1800 Menschen, 
am Sabbat, 14. Februar 1349, auf einem hölzernen Gerüste auf dem jüdischen 
Begräbnissplatze verbrannt. Mütter rannten mit ihren Kindern ins Feuer, dass 
man sie ihnen nicht entreisse und taufe. In W o r m s, wo die Bürger einer 
Schenkung Kaiser Karl IV. gemäss mit den Juden nach Lust und Willkür 
schalten konnten, hatte der Rath beschlossen, sämmtliche Juden zu verbrennen; 
sie kamen ihnen jedoch zuvor: sämmtliche Juden der Stadt steckten ihre Häuser 
in Brand und starben so den Flammentod. Dasselbe thaten die Juden zu Frank¬ 
furt, Oppenheim, Offenburg, Krems, Erfurt, wo von 3000 keine Seele 
übrig blieb, Esslingen, wo sich alle in der Synagoge verbrannten, u. a. m. In 
Mainz und Köln setzten sie sich zur Wehr und vertheidigten sich tapfer, 
bis sie endlich der Uebermacht unterlagen, worauf sie ihre Häuser anzündeten 
und in den Flammen umkamen (23. August 1349). 
Auch in Baiern, Oesterreich und im Norden Deutschlands fehlte es nicht 
an Opfern. In Wien entleibte sich auf Anrathen des Rabbiners die ganze Ge¬ 
meinde in der Synagoge. Die alten Gemeinden Augsburg, Würzburg, München 
und nahezu 80 andere wurden gänzlich vertilgt; in Nürnberg wurde die ganze 
Gemeinde auf dem Judenbühl, 6.December 1349, verbrannt. Nur Regensburg 
zeichnete sich vor allen Städten aus: es beschirmte die Juden, welche innerhalb 
seiner Mauern wohnten und hielt die blutdürstige Menge vom Morde ab. In 
Magdeburg, Quedlinburg, Halberstadt, Hannover, Osnabrück, in Stuttgart, Ulm, 
Reutlingen, in Metz, Colmar, Schlettstadt, kurz wo Juden waren, wiederholte 
sich überall dasselbe Trauerspiel. Das Gemetzel erstreckte sich bis nach Brabant: 
in Brüssel und in Löwen wurden die Juden erschlagen oder verbrannt. 
Die Juden waren somit in den meisten Gegenden Deutschlands vernichtet; 
die Städte und die Landesherren theilten sich in die ihnen abgenommene Beute, 
und für Alles was geschehen war, verhiess der Kaiser Verzeihung. Die Städte, 
von denen viele infolge der Verheerungen zerstört oder verarmt waren, und die
	        
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