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after auch hier durften sie nicht überall wohnen; in den Bergstädten, in Kroatien,
Slavonien und Dalmatien war ihnen die Niederlassung untersagt. Seit 1807 pe-
titionirten sie mehrfach beim ungarischen Reichstag um Erweiterung ihrer bürger¬
lichen Rechte, aber meistens vergeblich; ebenso hatten sie sich im Jahre 1848
in ihren Erwartungen getäuscht: Kossuth war kein Gegner, aber auch kein
Freund der Juden-Emancipation, und die revolutionäre National-Versammlung
wollte für die Gleichstellung der Juden nicht eintreten. Nachdem die Revolution,
in der auch die Juden ihre Liebe zum Vaterland thatsächlich bewiesen und Gut
und Blut für die Freiheit geopfert haben, niedergeworfen worden war, wurde
ihnen von dem Feldmarschall Haynau eine bedeutende Kriegscontribution auf erlegt;
sie wurde auch repartirt und aufgebracht, nach einigen Jahren aber als „Schul«
fond“ zu jüdischen Schulzwecken vom Könige bestimmt. Im Jahre 1867 erfolgte
auch für die ungarischen Juden die Gleichstellung; im darauf folgenden Jahre
berief der damalige Kultusminister, der edle Baron Joseph von Eötvös,
der schon 1841 in einer besondern Schrift mit vieler Wärme für die Emancipa¬
tion eingetreten war, zur Organisirung ihrer confessionellen und Schulangelegen-
heiten aus den Vertretern der jüdischen Gemeinden Ungarns und Siebenbürgens
einen „Congress“, der aber statt der beabsichtigten Einheit Hader und Zwietracht
in die Gemeinden brachte. Seit 1870 giebt es in Ungarn zwei scharf gesonderte,
vom Staate auch anerkannte Parteien: die Congresspartei und die autonome
orthodoxe, welche letztere der Cultur und Bildung feindlich entgegentritt. Aus
den Mitteln des israel. Schulfonds wird eine königliche israel. Landeslehrer-
Präparandie erhalten und wurde trotz des Widerspruchs der Orthodoxen im
Jahre 1877 eine „Landes-Rabbinerschule“ errichtet. Beide Anstalten haben ihren
Sitz in Budapest.
Die Juden im Lombardisch-Venetianischen und in Illyrien hatten
während der kurzen Fremdlierrscliaft alle Freiheiten französischer Bürger, seit
dem Eintritt der österreichischen Regierung wurden sie aber in ihren Rechten
wieder beschränkt. Sie bereiteten wol 1808 einen gemeinsamen Schritt zur
Wahrung ihrer Rechte beim Congress zu Aachen vor, derselbe kam aber nicht
zur Ausführung. Sie hatten indess die Freiheit der Gewerbe und des Grund¬
besitzes, blieben jedoch von der Pharmacie, vom Notariat und von öffentlichen
Anstellungen ausgeschlossen. Als die Lombardei und Venedig unter italienische
Herrschaft gelangten, wurden die Juden dieser Länder sowie ihre Glaubens¬
genossen im Königreich Italien ihren christlichen Mitbürgern gleichgestellt.
Nirgends schneller als in Italien ward die Emancipation eine vollendete That-
sache; mehrere Juden bekleiden hohe Stellungen im Staat (Artom, Mauro-
gonato, Luigi Luzzatti u. A.) und zeichnen sich durch Gewandtheit und
Aufopferung aus.
b) Preussen und die deutschen Staaten.
Nächst Oesterreich war es Preussen, dessen Regierung die Aufmerksam*
keit auf die Verbesserung der Lage der Juden richtete. Friedrich der Grosse
hatte 1750 ein „Judenreglement“ erlassen, das den Grundsatz aufstellte, die Zahl