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Gottesdienste; sie beobachten das Gebot der Schaufäden, nicht aber das dei
Thephillin und der Mesusa. Die Karäer breiteten sich bald über Aegypten und
andere Länder aus. Noch jetzt finden sich karäische Gemeinden in der Krim,
in Cherson, Nikolajew, in Odessa und ändern Gegenden Russlands. Sie beschäf¬
tigen sich mit Handwerk, Ackerbau und Handel und zeichnen sich durch Fleiss,
strenge Redlichkeit und Sittlichkeit aus. Seit Jahrhunderten soll kein Karäer
wegen begangener Verbrechen vor Gericht gefordert oder bestraft worden sein.
Die Karäer entfalteten eine reiche schriftstellerische Thätigkeit, aber ihre
Literatur ist im Ganzen noch wenig bekannt. Ihre bedeutendsten Schriftstellei
sind: Juda ben Elia Hadassi, der in Konstantinopel (1149) „Eschkol ha-
Kofer“, das Hauptwerk der karäischen Literatur, eine vollständige Religionsphilo¬
sophie, schrieb; der Arzt Ahron ben Joseph (der Aeltere), welcher, eben¬
falls in Konstantinopel (1294), mehrere Commentare zu der hl. Schrift verfasste.
Ahron ben Elia aus Nikodemien, ein Mann von umfassender Gelehrsamkeit
(1350), schrieb eine karäische Dogmatik „Ez Chajim“ und einen Pentateuch-
Commentar „Keter Thora“. Elia ben Moses Beschitzi (st. 1490) ist Ver¬
fasser des alle Theile der karäischen Lehre umfassenden Werkes „Aderet
Eliahu“, das von seinem Schüler und Schwager Kaleb Afendopulo, dem karäischen
Polyhistor, fortgesetzt wurde. Mit ihm schliesst die karäische Literatur, welche
zum Theil noch handschriftlich vorhanden ist.
§ 5. Die Samaritaner.
Eine andere und zwar ältere Sekte des Judenthums, welche ähnlich den
Karäern nur noch in schwachen Resten besteht, sind die Samaritaner. Sie selbst
nennen sich Schomrim, d. h. „Hüter und Bewahrer des Gesetzes“, von den Juden
aber wurden sie Kuthäer genannt, weil die heidnischen Kolonisten, welche Sal-
manassar nach Samaria verpflanzte, aus Babel, Kutha und ändern Orten kamen
und sich aus „Furcht vor den Löwen“ dem israelitischen Gottesdienst zuwendeten,
ohne ihren alten Götzen völlig zu entsagen. Im Laufe der Zeit, durch Ver¬
schwägerung mit den Israeliten vereinigt, hatten sie eine starke israelitische
Färbung angenommen, und als Esra den Tempel in Jerusalem wieder erbaute,
wollten sie an dem Tempelbau theilnehmen, was ihnen jedoch von Serubabel
verwehrt wurde. Hierdurch erbittert, versuchten sie durch allerlei Ränke den
Bau zu verhindern. Die Erbitterung wurde später noch dadurch vergrössert, dass
alle Juden, welche fremde Frauen genommen hatten, dem Befehle Nehemia’s ge¬
mäss, diese sammt den Kindern wieder verstossen sollten. Unter denen, welche
diesem Befehle nicht gehorchten, befand sich auch der von Nehemia vertriebene
Enkel des Hohenpriesters Eljaschib, der Schwiegersohn des Samaritaners San-
ballat, Namens Manasse. Dieser baute auf dem, durch uralte Erinnerungen
ihnen heiligen Berg Gerisim, einen dem zu Jerusalem ähnlichen Tempel, in dem
er Hoherpriester wurde und einen eigenen Gottesdienst einrichtete. Damit war
die religiöse Spaltung vollendet, und der gegenseitige Hass steigerte sich immer
mehr, zumal seit sie die Makkabäer, weil sie es mit ihren Feinden hielten, hart
bedrängten und Johann Hyrkan ihren Tempel, sowie Samaria zerstörte.