Full text: Thüringer Sagen und Nibelungensage (Teil 1)

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und hatten darum ihre Heere schon bei Zeiten versammelt und genistet, 
das war für sie ein großer Vorteil. Der König Günther aber muß sein 
Heer erst sammeln. Er schickt dazu viele reitende Boten aus, welche 
seinen Rittern und Lehnsleuten befehlen, sich mit ihren Knechten mög¬ 
lichst bald zu rüsten und in Worms zu versammeln. 
Vor den beiden Heeren ritten Kundschaft er, welche die Zahl 
und die Stellung der Feinde erkunden sollten. 
Tie Burgunden verwüsteten im Sachsenlande die Äcker und plün¬ 
derten und verbrannten Haus und Hos der unbewaffneten oder ge¬ 
flüchteten Sachsen. Das war roh und hart. Aber die Sachsen hätten 
es gerade so gemacht, wenn sie ins Burgundenland gekommen wären. 
Das Sengen, Brennen und Plündern war also Kriegsgebrauch. 
Die Fahne wird von einem tapferen und vornehmen Mann 
(Volker) beim Angriff und Kampf vorangetragen; ihr müssen alle Kriegs¬ 
leute folgen, für sie müssen alle kämpfen, sie darf nicht verloren gehen. 
Wenn sie gesenkt wird, so bedeutet das: Wir wollen nicht mehr kämpfen, 
wir sind besiegt und bitten um Frieden. 
Die Könige und Anführer kämpfen bei beiden Parteien allen 
voran im dichtesten Gewühle und ermuntern durch ihr gutes Beispiel 
ihre Krieger zum tapferen Dreinfcklagen. Sie haben ein besonderes 
Gefolge von auserlesenen, tapferen Männern, welches ihnen überall hin 
folgen, an ihrer Seite kämpfen und sie in Not und Gefahr 
schützen muß. 
Der Sachsenkönig Lüdeger erkannte Siegfried an der Krone auf 
feinem Schild, dem niederländischen Wappen; dies trugen auch die 12 
Mannen Siegfrieds. Auch Burgunden, Sachsen und Dänen trugen be¬ 
sondere Wappen ans ihren Schilden (vielleicht einen Löwen, Bären, 
Adler, ein Roß) und erkannten sich gegenseitig daran. Sie werden sich 
auch an der verschiedenen Rüstung erkannt haben. 
Was erfahren wir über die Art und Weise des Kampfes? 
Es ging wohl meist so zu, wie zwischen Siegfried und Lüdegast, da 
die Kämpfer wie diese zu Pferd saßen und ähnlich bewaffnet waren. 
Jeder wählt sich einen Gegner (Zweikampf), beide rennen mit eingelegter 
Lanze auf einander los und suchen einander zu durchbohren. Ist die 
Lanze zerbrochen oder der Feind zu nahe, so greift jeder zum Schwert 
und sucht des Gegners Helm oder Panzer zu durchhauen ober auch zu 
durchstechen. Mit ber linken Hanb hält jeder den Schild und sucht sich 
damit gegen Hieb und Stoß des Gegners zu decken. So war also der 
Kampf meist ein Reiterzweikampf, und jeder einzelne Kampf endete ge¬ 
wöhnlich mit dem Sieg des Stärkeren und Gewandteren. Oft wurden 
natürlich auch die Kämpfenden durch einen Dritten oder durch ihr un¬ 
bändiges Roß auseinander gerissen, und gar mancher erhielt auch unver¬ 
sehens durch einen anderen Gegner von der Seite oder von hinten einen 
tödlichen Hieb oder Stoß. 
Wer wegen seiner Wunden oder aus Todesfurcht nicht mehr 
kämpfen wollte, der überreichte feinem Gegner fein Schwert und ergab 
sich ihm dadurch zu Gefangenen. Die Gefangenen wurden von den
	        
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