Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Erzählung. Überschrift: Luthers Seelenkampf (Angst, Trost, Ge¬ 
wißheit). Gesamtüberschrift: Luther im Kloster. 
Zur Beurteilung. 
Zu 1. War Luthers Eintritt ins Kloster nicht ein 
großer Irrtum? Er urteilt zwar später selbst sehr hart darüber 
(sein Gelübde sei keine Schlehe wert gewesen, er habe sich gegen das 
4. Gebot vergangen), aber die Sache steht doch anders. Die beiden 
Beweggründe, die ihn am stärksten trieben (Furcht vor dem zürnenden 
Gott, Genugthuung durch die heiligen Mönchswerke), sind zwar in 
unseren Augen und in den Augen des späteren Luther falfch (warum?), 
aber der damalige Luther hielt sie eben für richtig und handelte also 
nach seiner besten Überzeugung. Und schließlich war der innerste 
Beweggrund seines Entschlusses doch nur die Sehnsucht nach Gott, 
das Bedürfnis, einen gnädigen Gott zu haben und ein seliges Kind 
Gottes zu sein, das ist aber die Wurzel aller Religion. Er handelte 
also fromm, als er fein Gelübde that, und gewissenhaft, als er 
es erfüllte, und zeigte einen festen Willen, als er den Widerspruch 
der Freunde und des Vaters überwand. Er will Gott, von dem er 
sich gerufen glaubt, mehr gehorchen als den Menschen, und nach diesem 
Grundsatz handelte er fest und rücksichtslos. 
Zu 2. Was ist über Luthers Leben im Kloster zu ur¬ 
teilen? Er nimmt es furchtbar ernst mit dem neuen Leben, er nimmt 
die schwersten Lasten auf sich und erfüllt gewissenhaft die schwersten Pflichten, 
ja er leistet noch mehr, als geboten ist. Mit festem Willen über¬ 
windet er sich selbst und zwingt sich zu den widerwärtigsten, beschämendsten 
und mühseligsten Arbeiten. In der That: ein voller uud gauzer 
Mönch, groß und bewundernswert auch im Irrtum! Mit 
Recht konnte er von sich sagen: „Ist je ein Mönch gen Himmel 
kommen ..." 
Zu 3. Kann man Luther nicht aus seinem Zweifel 
(an der Gnade und Vergebung) und aus feinen groben Irr¬ 
tümern (Zorn Gottes, Genugthuung durch Mönchswerke, Verdienen 
der Seligkeit) einen Vorwurf machen? Nein; denn feine 
Irrtümer waren Irrtümer seiner ganzen Zeit, er war in ihnen erzogen 
worden und groß geworden; und wenn er das Mönchsleben ergriff, so 
ergriff er den besten Heilsweg, den seine Kirche kannte, und wenn er 
auf diesem Weg so kraftvoll und mühevoll wandelte, so zeigte er eben 
damit wiederum den Grundzug seines Herzens, die Sehnsucht nach dem 
gnädigen Gott, nach dem Frieden des Gotteskindes, das zu Gott spricht: 
Du bist mein, ich bin dein, ich will keines andern sein. Und eben darum 
weil er den gesuchten Frieden nicht fand, darum begann er zu zweifeln. 
Er verließ sich nicht einfach wie tausend andre Mönche darauf, daß 
die Kirche ihm für seine Leistungen Seligkeit garantierte, sonder er wollte 
diesen Frieden und diese Gewißheit in seiner eignen Seele empfinden, 
und weil der Friede noch immer nicht kommen wollte, so hungerte und 
durstete er nach ihm wie ein Verschmachtender, und der Irrtum und
	        
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