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Ackerbau lag völlig danieder; Handel und Gewerbe stockten, Kunst und
Wissenschaften waren verscheucht. Roheit und Sittenlosigkeit waren
überall eingerissen. Religion und Tugend, Frömmigkeit und Scham
wurden nichts geachtet. Allgemein herrschte Unglaube und rohester
Aberglaube. Besonders standen die Frauen im Verdachte der Hexerei.
Man suchte sich der Hexen durch die schrecklichen Hexenprozesse zu ent¬
ledigen, indem man durch die ausgesuchtesten Martern Geständnisse er¬
preßte. Das unvermeidliche Ende war der Tod auf dem Scheiterhaufen.
Auch hatte der Krieg Deutschlands Macht und Ansehen nach außen
vernichtet, indem fremde Mächte in seine Angelegenheiten sprachen. Die
von den einzelnen Fürsten errungene Selbständigkeit schädigte Deutsch¬
lands Einheit und drückte die kaiserliche Macht zum bloßen Schatten herab.
Xiv. Aas Zeitalter Ludwigs XIV.
(Vergl. Kursus I Sette 36—38.)
1. Ludwig XIV. und Deutschland.
1. Wie ein deutscher Fürst die Holländer im Kampfe gegen
Ludwig XIV. unterstützte. Nach dem 30jährigen Kriege erlangte
Frankreich das politische Übergewicht in Europa. Ludwig XIV.
W43-1715. (ll343 —1715) war ein ehrgeiziger und herrschsüchtiger Mann, der in
seinem Reiche als unumschränkter Alleinherrscher auftrat. In Deutfch-
1657-1705. land, wo zu jener Zeit Leopold I. (1657—1705) regierte, herrschte
Zerrissenheit und Zwietracht. Ludwig XIV. trat nach außen hin als
ländergieriger Eroberer auf. Zunächst versuchte er, die spanischen Nieder¬
lande an sich zu reißen. Die benachbarten Holländer, die dadurch um
ihre eigene Selbständigkeit besorgt wurden, schlossen mit England und
Schweden ein Bündnis und nötigten Ludwig zum Frieden. Als dieser
dafür einige Jahre später in Holland einbrach, setzten die Holländer ihr
Land unter Wasser. Auch erhielten sie einen Bundesgenossen an dem
Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg.
Dessen Vorstellungen bewogen Kaiser Leopold, zur Sicherung des Reichs
an Frankreich den Krieg zu erklären. Daraufhin brach ein französisches
Heer in die Pfalz ein und verwüstete das Land in schrecklicher Weise.
Um den Kurfürsten Friedrich Wilhelm los zu werden, reizte Ludwig
die Schweden zum Einfall in Brandenburg. Der Große Kurfürst zc^
in Eilmärschen seinem bedrängten Lande zu Hilfe und schlug die Schweden
1675. 1675 gänzlich bei Fehrbellin. Nach einigen Jahren nötigte die all¬
gemeine Erschöpfung zum Frieden, dessen Ergebnis allerdings für Kaiser
und Reich schmachvoll war.
2. Inwiefern das Deutsche Reich seine Ohnmacht gegen Ludwig
zeigte. Ludwig XIV. schritt auf dem Wege des Übermuts und der
Anmaßung weiter. Ohne weiteres schlug er die deutschen Gebiete,
welche die von ihm eingesetzten Reunionskammern ihm zugesprochen
1631. hatten, zu seinem Reiche. Mitten im Frieden entriß er 1681 Deutsch¬
land die freie Reichsstadt Straßburg. Dem allen sah Deutschland ruhig
1663. zu. obschon seit 1663 in Regensburg zur Abwehr der Gefahren ein