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Kaiser Wilhelm angeregt und eingeführt. Auch auf dem Gebiete der
Rechtspflege war Kaiser Wilhelm tätig; er ließ ein allgemeines deutsches
Reichsstrafgesetzbuch ausarbeiten und setzte als obersten Gerichtshof für
ganz Deutschland das Reichsgericht in Leipzig ein. Die Ausarbeitung
eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, welches er eben¬
falls anordnete, feilte der greise Herrscher nicht erleben. Um dem
deutschen Handel neue Gebiete zu eröffnen und den deutschen Erzeugnissen
der Industrie Absatz zu schaffen, wurden Kolonien in Afrika und
Australien gegründet. So suchte Kaiser Wilhelm das neuerrichtete
Deutsche Reich nach innen auszubauen.
6. Wie der Lebensabend des greisen Kaisers beschaffen war.
Kaiser Wilhelm durste sich sagen, daß er ein treuer Haushalter gewesen;
sein Leben muß aber auch als ein von Gott begnadetes angesehen
werden, obschon die letzten Monate desselben durch schweren Kummer
getrübt wurden. Die Krankheit seines geliebten Thronerben, des Kron¬
prinzen Friedrich Wilhelm, bereitete ihm große Sorge. Noch einmal
1887. ließ sein 90. Geburtstag am 22. März 1887 bei dem deutschen Volke
die Wogen des Jubels und der Begeisterung hochgehen. Aber dann
begann seine Gesundheit zu schwanken; Anfälle von Schwäche stellten
sich mehr und mehr bei ihm ein; zuletzt wurde er bettlägerig. Als er
1888. am 9. März 1888 die treuen lebensmüden Augen schloß, waren seine
letzten Worte: „Ich habe keine Zeit müde zu sein". Das Andenken
Kaiser Wilhelms, des glorreichen Friedenssürsten, wird im deutschen
Volke fortleben als ein Vorbild und eine Mahnung, in Wort und Tat
ihm nachzueifern.
II. Kaiser Friedrich.
1. Was für eine Bildung Prinz Friedrich Wilhelm in der Jugend
erhielt. Kaiser Wilhelms Nachfolger war fein einziger Sohn Friedrich
Wilhelm, welcher am 18. Oktober 1831, dem Jahres- und Gedenktage
der glorreichen Völkerschlacht bei Leipzig, geboren worden war. Er hat
eine frohe und glückliche Jugendzeit durchlebt, wenn er auch als Kind,
Knabe und heranwachsender Jüngling mehr lernen, mehr arbeiten mußte
als gewiß die meisten seiner künftigen Untertanen. Denn schon früh¬
zeitig zum Erben des preußischen Thrones bestimmt, erhielt der junge
Prinz eine sorgfältige Erziehung und tüchtige wissenschaftliche Aus¬
bildung. Den Überlieferungen des Hohenzollernhaufes entsprechend,
wurde dabei die militärische Ausbildung in den Vordergrund gestellt.
Mit pünktlicher Gewissenhaftigkeit und hohenzollernscher Pflichttreue
unterzog sich Friedrich Wilhelm allen Anforderungen des militärischen
Dienstes. Mit demselben ging eine gründliche und vielseitige Unter¬
weisung in der Rechtspflege und Verwaltung Hand in Hand. Kein
Offizier war tüchtiger gebildet im militärischen Dienst und in den
militärischen Wissenschaften als Prinz Friedrich Wilhelm; kein Beamter
konnte besser vorbereitet sein für den Staatsdienst als er. Daneben
entwickelte sich bei dem jungen Prinzen der Sinn für alle menschen¬
freundlichen Bestrebungen, die Liebe zu Kunst und Wissenschaft und die
verständnisvolle Freude an allem Schönen, Wahren und Guten.
2. Wie der Kronprinz von Prenfzen als Feldherr sich auszeichnete.
So vorbereitet trat Friedrich Wilhelm zum ersten Male im Dänischen