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Die neue Zeit.
stand ein wissenschaftlicher Streit, in welchem Lnther seine Gegner
mit maßlosen Schmähungen überhäufte und in seinen Behauptungen
immer mehr von der Lehre der Kirche abirrte, so daß er znletzt
zur Verantwortung uach Nom vorgefordert wnrde. Da er aber
stets beteuerte, daß er der Kirche und dem Ausspruche des rö¬
mischen Stuhles sich unterwerfen werde, so brachte es Friedrich
der Weise dahin, daß die Sache in Deutschland verhandelt
werden sollte. Allein weder der gelehrte Kardinal Cajetanns
(Tho,mas de Vio von Gatzta) noch der päpstliche Gesandte
Karl vonMiltiz konnten Lnther zu eiuem Widerrufe bewegen.
Eine Disputation zu Leipzig war ebenfalls erfolglos geblieben.
Auf dieser Disputation und in zweien seiner Schriften: „An
den christlichen Adel deutscher Nation" und „Von der
babylonischen Gefangenschaft der Kirche", leugnete
Luther wesentliche Lehren der Kirche. Der Papst sprach deshalb
den Bann über Luthers Lehre und verurteilte dessen Schriften
zum Feuer; ihm selbst vergönnte er 60 Tage, innerhalb welcher
Frist er widerrufen sollte. Lnther aber verbrannte öffentlich in
Gegenwart seiner akademischen Zuhörer vor dem Elsterthore in
Wittenberg die Bannbulle sowohl als das kanon ische Recht.
Damit hatte er sich förmlich und feierlich vou der Kirche los-
^Tc- gesagt. Manche Fürsten, viele Adelige und Gelehrte schlugen
5i52o.r sich auf Luthers Seite. Dadurch gemauu dessen Schritt eine er¬
höhte Bedeutung. Da mittlerweile Maximilian, der den
Streit unterschätzt hatte, gestorben war, und Karl Y. einen
Reichstag nach Worms angesagt hatte, so wurde auch Luther
dahin zur Verantwortung vorgeladen.
Anmerkungen.
1. Martin Luther wurde am 10. November und zwar uach all¬
gemeiner Annahme, obwohl es nicht ganz bestimmt ist, im Jahre 1483
zu Eisleben geboren. Seine Eltern waren Hans Luther, ein armer
Bauersmann, der aus dem kleinen Orte Möhra herstammte, und Mag¬
dalena Lindemann. Der Vater zog bald uach Luthers Geburt in
das Dtädtlein Mansfeld und widmete sich dem Bergbau. Er brachte
es durch Fleiß 'und Sparsamkeit soweit, daß er »ermöglich wurde, so daß
er 24 Jahre nachher zu Luthers erster heiliger Messe mit 20 Pferden
reiten nnd seinem Sohne 20 Gulden schenken sonnte. Beide Eltern waren
fromm nnd gottesfnrchtig, lind Luther wurde sehr strenge erzogen. Anch
erhielt er wegen seines unbeugsamen Eigensinnes viele Schläge, sowohl
vom Vater als von dem Lehrer. Dies mag auf den Knaben, der ein
tiefes Gemüt hatte, großen Eindruck gemacht und frühe eine gewisse
Bitterkeit des Herzens nnd einen innern Groll erzeugt haben. Im 15.
Jahre kam er nach Magdeburg, um bei den Franziskanern zu studieren,
und ein Jahr darauf uach Eisenach, wo er sich kümmerlich nährte lind
meistens von dem Almosen lebte, welches die armen Schüler (Kurrend-