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beschränkte sich also darauf, Handelsschiffe aufzuheben, welche nicht mehr
zeitig genug heimkehren konnten. Während aber die französischen Schisse
noch in der Nordsee waren, gelang es dem preußischen Schiffe Arminius,
mitten durch sie hindurch und noch heimzukommen. Schon am 29. Sept.
war die Flotte wieder in Cherbourg.
4. Der eigentliche Oberbefehlshaber der französischen Armee war der
Marschall und Kriegsminister Leboenf, dessen Unfähigkeit im Kriege
sich bald ebenso bewies, als es sich herausstellte, daß er den Stand der
französischen Armee gar nicht gekannt hatte. Beweis dafür sind seine
bekannten Worte, die er im gesetzgebenden Körper von der Schlagfertig¬
keit der Armee sprach. Er behauptete nämlich, die Armee sei gerüstet,
und als man ihn fragte, was heißt gerüstet? antwortete er, das heißt
soviel, daß, wenn wir zwei Jahre Krieg führen, wir keinen Gamaschen¬
knopf zu kaufen brauchen. An Gamaschenknöpfen war auch wirklich kein
Mangel. Leboeuf mußte aber schon am 8. August den Oberbefehl an
Bazaine abtreten. Am 9. August beantragte der Abgeordnete Keratry
die Absetzung Napoleons im gesetzgebenden Körper, drang aber damit
noch nicht durch. Am 13. August erklärten die Abgeordneten Jnles
Favre und Leon Gambetia, daß das Kaisertum nicht mehr existiere.
Der am 17. August zum Kommandanten aller Streitkräfte, die Paris
zu verteidigen bestimmt waren, von der Kaiserin ernannte General Tro ch n
erklärte schon am 18., daß die Nation die Leitung ihrer Geschicke selbst
in die Hand nehme. Am 4. Sept. beantragte Jules Favre die Ab¬
setzung des Kaisers; die Massen drangen in den gesetzgebenden Körper
uud jagten die Mitglieder auseinander, wie dies einst auf Napoleons I.
Befehl geschah.
5. Deutscherseits wurde der Krieg eröffnet mit einer Feldarmee von
550 000 Mann, hinter welchen sich 400 000 Mann teils Landwehr, teils
Ersatztruppen befanden. Am Ende des Krieges standen 750 000 Mann
auf französischem Boden, während in Deutschland noch 250 000 Manu
sich befanden. Das französische Gesamtaufgebot kann wegen der vielen
irregulären Truppen, welche zusammengetrieben wurden, nicht geschätzt
werden, soll aber bis gegen 1 600 000 Mann betragen haben.
6. Nach der Schlacht von Sedan wurden außer dem Kaiser Napo¬
leon uud dem Marschall Mac Mahon gefangen 51 Generäle, 780
Stabsoffiziere, 2095 Subalternoffiziere und 84 433 Mann. In der Schlacht
selbst wurden 28 000 Mann gefangen, 20 000 verwundet oder tot, 5000
konnten auf belgisches Gebiet übergehen. Erbeutet wurden 400 Feld¬
geschütze und 50 Mitrailleuseu. — In Metz wurden gefangen 3 Mar-
schälle (Bazaine, Leboeuf und Eanrobert), 6000 Offiziere, 173 000 Mann,
worunter 20 000 Verwundete, 53 Adler und Fahnen, 541 Feldgeschütze,
66 Mitraillensen, 200 Militärfahrzeuge und eine Kriegskasse mit 40
Millionen Franks und ungeheures Kriegsmaterial aller Art. Mit der
Eroberung von Metz ist nur zu vergleichen die Eroberung der Festung
Alesia, welche der Gallier Bercingetorir gegen Julius Cäsar
mit 20 000 Mann verteidigte, während dreimal so viel zum Ersatz heran¬
rückten (52 v. Chr.)
7. Im Ganzen bestanden die Deutschen 156 größere und kleinere
Gefechte, schlugen 17 größere Schlachten und nahmen 26 feste Plätze ein,
erbeuteten 6700 Geschütze und 120 Adler und Fahnen. Am Ende des
Jahres 1870 befanden sich 363 000 Kriegsgefangene in Deutschland.
8. General Bourbaki, welcher ans Scham und Verzweiflung seinem
Leben durch einen Pistolenschuß ein Ende zu machen suchte, was ihm