60 Das Altertum.
Stadt, obwohl es zur Zeit des Königs Pygmalion nicht un¬
ansehnliche Kräfte verlor. Dennoch leistete Tyrus dem Assyrer
Salmauassar fünf ^ahre lang Widerstand. Die Einwohner
verließen nämlich größtenteils das Küstenland und zogen sich
auf die Inseln zurück. Dort verteidigten sie sich mit zwölf
schissen gegen die ganze Flotte der Assyrer so, daß diese abziehen
mußten und nur Alt-Tyr ns in ihre Hand bekamen. Es entstand
Nen-Tyrns, das bald der Hauptsitz des Welthandels wurde.
Auch Nabuchodouosor belagerte 13 Jahre lang Neu-Tyrus
vergebens; dagegen ließ er alle Einwohner von Alt-Tyrus,
welches in seine Gewalt fiel, nach Babylonien schleppen. Allein
die Macht von Tyrns war jetzt gebrochen. Als Alexander
. der Große vor Tyrus zog, wehrten die Einwohner sich zwar
mit ihrer alten Tapferkeit, aber nach sieben Mannten wurde es
eingenommen und alle Einwohner wurden als Sklaven verkauft.
Abermals gab man sich Mühe, ans den Trümmern des alten Ty¬
rus eine Handelsstadt zu gründen, doch der Welthandel war an
Alexandrien gefallen. An Tyrus ging der Fluch des Pro¬
pheten Ezechiel in Erfüllung: „Zu uichts bist du geworden, und
du wirst jticht mehr auskommen in Ewigkeit" (Ezech. 27, 36).
An. der Stelle, wo Tyrus und Sidon gestanden, stehen heute
zwei erbärmliche Fischerdörfer: Sur und Saide.
Anmerkungen.
f J3 hönizien ist ein schmaler, sandiger Küstenstrich am Mittel¬
ländischen Meere, welcher durch den Libanon und den Antilibanou
von Syrien getrennt wird. <53 hatte Mangel an Getreide; dagegen ist
das Meer sehr fischreich, und der durch seine stolzen Cedern berühmte
Libanon bot Bauholz im Überfluß. Die Phönizier waren deshalb an¬
gewiesen, statt des Landes das Meer zu durchfurchen, und verstanden
mit großem Geschick ihren Vorteil zu verfolgen. Außer dem Cedernholz,
das wegen seiner Feinheit, wegen seines lieblichen Wohlgeruches, und weil
es weder von der Wärme noch von der Fäulnis angegriffen wird, sehr
geschätzt wurde, bot das Land noch Kupfer und Eisen zur Ausfuhr. Zu
Lande erhielten die Phönizier aus Babylon die prachtvollen Stickereien
und Webereien, aus Armenien Pferde, Maulesel und Sklaven aus
Syrien und Palästina Getreide, Öl, Balsam, Wolle und Wein, aus
Ägypten Wein und Baumwolle, aus Indien Gold, Elfenbein, Gummi,
Weihrauch und Gewürze. Dagegen holten sie zu Schiffe Zinn aus
Britannien, Bernstein von der Ostseeküste, und brachten die Produkte
des Morgenlandes in die Seestädte des Abendlandes. Um anderen die
Lust zu benehmen, ihnen nachzugehen und in denselben Ländern Handels¬
verbindungen anzuknüpfen, wodurch ihr eigener Handel geschmälert würde,
verbreiteten sie allerlei Märchen über die Ungeheuerlichkeiten der Be¬
wohner, so daß neben phönizischer Ware auch die „phönirischen
Lügen" bekannt wurden.
Arädus, heute Arvat; Tripolis, heute Tarablus; Byblus,