Full text: Leitfaden der allgemeinen Weltgeschichte

62 Das Altertum. 
dessen Reden, daß die Richter ihre Urteile in ein Buch einzutragen pflegten 
(job 13, 26; 31, 35). Wenn nun die Überlieferungen der Griechen und 
der Römer auf Phönizien hinweisen, so ist damit nur gesagt, daß sie die 
Buchstabenschrift von Phöniziern empfingen. Der Erfinder soll Thaut 
(Thot) gewesen sein. Der Phönizier Kadmns aber, welcher Theben er¬ 
baute, soll die Buchstabenschrift nach Griechenland gebracht haben Das 
Kadmische Alphabet hatte übrigens nur 16 Buchstaben, und fehlten ihm 
$' /- h/ U' v und w. Diese Zeichen sind ältern Ursprungs und beweisen 
daß die Hebräer eine ausgebildetere Schrift besaßen, und daß die Phö¬ 
nizier noch in den Zeiten nach Kadmns Schriftzeichen aus dem hebräischen 
Alphabet annahmen. 1 
5. Der Molochdienst ist der abscheulichste Dienst, der unter iraend 
einem entarteten Volke zu finden ist. Moloch (König) ist dasselbe was 
Bel (Herr). Allein wie man unter Bel den guten Gott verehrte so 
wurde im Moloch die zerstörende Naturkraft gefürchtet haupt¬ 
sächlich das allesverzehrende Feuer. Der Molochdienst kommt nicht in der 
Urzeit des menschlichen Geschlechtes vor, und auch nicht bet den Urvölkern 
Die Phönizier lernten ihn von den Kanaanitern kennen Man stellte 
den Moloch unter der Gestalt eines Menschen, der die Arme ausstreckt 
mit einem Stierhaupte dar, das mit einer Krone geziert war. Ein solches 
Götzenbild aus Erz oder Thon war inwendig hohl, und in die aus¬ 
gestreckten Arme wnrden die zum Opfer bestimmten Kinder gelegt. Als¬ 
dann wurde das Götzenbild inwendig geheizt. Während des Öpferdienstes 
wurde das Schreien und Wimmern der Kinder von den Priestern mit 
geräuschvollen Tonwerkzeugen übertäubt. Die Eltern, die bei dieser ab¬ 
scheulichen Handlung zugegen waren, durften keine Thräne vergießen. 
8 24. 
Die Larthager. 
58) Sicilien gegenüber, in Libyen, dem Gebiete des heuti¬ 
gen Tunis, lag Cambe, eine sidonische Kolonie. Hierher zog 
sich Elissa, auch Dido genannt, die Schwester des lyrischen Kö¬ 
nigs Pygmalion, der ihren Mann hatte umbringen lassen, 
weil er nach dessen Schätzen lüstern war. Mit ihr gingen viele 
Adelige und viele Priester, so daß die unbedeutende Kolonie, 
durch diesen Zuzug verstärkt, bald alle Schwesterstädte an Macht 
und Reichtum übertraf. Anfangs waren die Tyrier den libyschen 
Häuptlingen, von denen sie die Erlaubnis zur Niederlassung er¬ 
halten hatten, zinspslichtig; später machten sie sich unabhängig. 
Von den Libyern wanderten viele nach Karthago, in die Neu¬ 
stadt, wie die erweiterte Stadt jetzt genannt wurde, ein, und die 
umliegende Gegend wnrde sogar den neuen Ankömmlingen unter¬ 
worfen. Mit den schon früher bestehenden alt-phönizischen Städten 
Utica, Hadrumetum, Leptis u. a. traten die Karthager in das 
Verhältnis der Buudesgenossenschast, was ihren Einfluß ebenfalls 
wieder stärkte. Ihre bürgerliche Verfassung war die ihres Mutter¬ 
landes. Es war ein Staat, an dessen Spitze jährliche Snsseten
	        
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