Object: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

82 HI- Tages- und Jahreslauf, Fleiß und Frömmigkeit. 
und wenn ein Feiertag uns eine Stunde später aufforderte, so waren 
wir doch zur rechten Zeit munter und feierten ihn nicht in süßen 
Träumen. Jeder Feiertag war uns dann doppelt willkommen, und wir 
freuten uns oft seines Anbruchs. 
Nun, mein Freund, weißt du mein ganzes Geheimnis, und wenn 
du dasselbe wohl anwendest, so wirst du nicht nötig haben, dich über 
Unordnung im Haushalt zu beschweren. Andern zu befehlen und Vor¬ 
schriften zu geben, ist keine Kunst; man muß vorausgehen, wenn andere 
folgen, auf die Bresche wie aus die Dresche, und der Soldat lacht über 
den Hauptmann, der ihm hinterm Eichbaum befehlen will, als ein 
braver Kerl die Sturmleiter hinaufzuklettern. So handeln aber un¬ 
sere meisten Haushälter; sie selbst wollen schlafen, Kaffee trinken 
und hinterm Ofen sitzen; das Gesinde aber soll sich quälen und 
schlecht behelfen. Das geht nicht und wird in Ewigkeit nicht gehen; der 
Wirt muß vorauf! Nächstens ein mehreres, und damit Gott be¬ 
fohlen! I. Möser. 
65. Sprichwörter und ihre Deutung. 
a) Frisch gewagt ist halb gewonnen. 
Daraus folgt: „Frisch gewagt ist auch halb verloren." Das 
kann nicht fehlen. Deswegen sagt man auch: „Wagen gewinnt, 
wagen verliert." Was muß also den Ausschlag geben? Prüfung, 
ob man die Kräfte habe zu dem, was man wagen will, Über¬ 
legung, wie es anzufangen sei, Benutzung der günstigsten Zeit und 
Umstände, und hintennach, wenn man sein mutiges A gesagt hat, 
ein besonnenes B und sein bescheidenes T. Aber soviel muß wahr 
bleiben: wenn etwas Gewagtes soll unternommen werden und kann 
nicht anders sein, so ist ein frischer Mut zur Sache Meister, und 
der muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst und sängst 
nie an, oder du hast schon angefangen, und es reut dich wieder, 
und willst, wie man sagt, auf dem trockenen tüande ertrinken, guter 
Freund, dann ist „schlecht gewagt ganz verloren". I. P. Hebel. 
b) Lrst wäg's, dann wag's. 
Frisch gewagt ist halb gewonnen, kann aber auch leicht halb 
— oder selbst ganz verloren sein. Ohne vorherige Überlegung blind 
drein zu stürzen, kann möglicherweise ganz gut ablausen, wird's 
aber nicht immer. Besser islls: man überlegt, erwägt, wägt die Sache 
vorher, ob sie die Kräfte nicht weit übersteigt, und ob eine Möglich- 
keit des Gelingens vorhanden. Und dann frisch angepackt und 
nicht schläfrig! Mit dem Wägen und Erwägen ift?s freilich auch 
so eine Sache. Mancher kommt vor lauter Rat zu keiner Tat, 
vor lauter Überlegung nicht zum Handeln. Und bis er all seine 
großen, mittleren, kleinen und kleinsten Bedenklichkeiten bedacht und 
abermals bedacht hat, ist's schon lange zu spät für die Ausführung. 
Also vergiß nicht über dem Wagen das Wägen, aber auch nicht 
über dem Wägen das Wagen! Enslin.
	        
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