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4L Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. 1640—1688.
1. Die Verhältnisse in Deutschland und Brandenburg bis zu seinem
Regierungsantritt. Zur Zeit des 30jährigen Krieges bestieg Friedrich Wilhelm
den Thron des Kurfürstentums Brandenburg. Das Land war fast zur Wüste
geworden. Sein Vater war, wie die meisten deutschen Fürsten von den Schweden
abgefallen und hatte mit dem Kaiser Frieden gemacht. Dafür nahmen die
Schweden an Brandenburg furchtbare Rache. Sie legten sich in der Mittel- und
Neumark fest und sogen das Land förmlich aus. Auch die Berliner hatten furchtbar
von ihnen zu leiden. Als die Feinde den letzten Taler von ihnen erpreßt hatten,
kam ein schwedischer Rittmeister und trieb ihnen noch das gesamte Vieh von der
Weide weg (1640). Das ganze Land verarmte, und es entstand eine furchtbare
Hungersnot. Das Fleisch der Katzen und Wölfe wurde ein Leckerbissen. Dazu
wütete die Pest. Es gab Gegenden, z. B. im Havellaude, wo die Dörfer weit
und breit leer standen und verwüstet dalagen. Berlin batte nur noch 300 ganz
verarmte Bürger. — In dieser schrecklichen Zeit leuchtete den Brandenburgern
nur ein Hoffnungsstern. Es war der junge Kurfürst Friedrich Wilhelm.
2. Jugend. Friedrich Wilhelm wurde bald nach dem Ausbruche des 30jährigen
Krieges geboren. 14 Jahre alt, wurde er von seinem Vater nach Holland ge¬
schickt, um dort die Kriegskunst zu erlernen. Als man ihn im Haag zu einem
ausschweifenden Leben verführen wollte, sagte er: „Ich bin es meinen Eltern,
meiner Ehre und meinem Lande schuldig, Haag sogleich zu verlassen." Sofort
begab er sich zu seinem Verwandten, dem Prinzen von Dräniert, der im Felde
stand. Dieser freute sich über den tugendhaften Jüngling und sprach: „Vetter.
Eure Flucht beweist viel Heldenmut. Wer sich schon so früh selbst zu besiegen
weiß, dem wird das Große stets gelingen". (Deutsche Jugend 4, S. 158:
Aus den Jugendjahren des Gr. Kurfürsten.)
3. Rettung seines Landes vor völligem Untergange. Als Friedrich
Wilhelm die Regierung übernahm, war er fast vollständig machtlos in seinem
Lande. Immer noch lagen die Schweden darin; die Offiziere in seinen
Festungen aber hatten nicht ihm, fondern dem Kaiser den Eid der Treue
geschworen, und so kam es, daß einige ihm geradezu den Gehorsam ver¬
weigerten. Das mußte anders werden, wollte er Herr im Lande sein. Er¬
forderte deshalb, daß die Offiziere sich ihm durch einen Eid verpflichten sollten.
Das tat jedoch nur der Kommandant von Küstrin. Die übrigen Offiziere ver¬
weigerten ihm den Eid. Da entließ sie der Kurfürst, löste ihre Regimenter
zum größten Teil auf und ließ fortan die Truppen in seinem Namen anwerben.
Anfänglich betrug seine Heeresmacht nur 3000 Mann, vergrößerte sich aber bald
auf 8000 — später sogar auf 30000. Das war das erste stehende Heer in
Brandenburg. Bei der Einrichtung dieses Heeres leistete ihm besonders der
General Derfflinger treue Dienste. Nach der Sage war er in seiner Jugend
Schneidergeselle gewesen. (Deutsche Jugend 4, S. 160: Der alte Derfflinger.) —
Um seinem Lande die Kriegslasten zu erleichtern, schloß der Kurfürst einen Vertrag
mit den Schweden. Doch behielten diese Pommern, das durch Erbschaft an
Brandenburg gefallen war, in Besitz. — Als dann endlich 1648 der Westfälische
Frieden geschlossen wurde, erhielt er zu seinem Verdrnsse nur Hinterpommern,
als Ersatz für Vorpommern jedoch die Bistümer Halberstadt und Minden sowie
das Erzstift Magdeburg.