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I. Periode.
Fünftes Kapitel.
Der Islam.
a. Im Augenblick, da sich die abend- und morgenländische
Kirche, die griechisch-katholische und die römisch-katholische, zu
sondern anfingen, entstand in Arabien eine neue Religion, welche
beide Kirchen mit Vernichtung bedrohte. Das an Umfang das heu¬
tige deutsche Reich fünfmal übertreffende, aber grofsenteils unbe¬
wohnbare und durch einen Wüstengürtel von der übrigen Welt
abgeschlossene Land mit seiner Hirten- und Stadtbevölkerung
wurde erst jetzt von welthistorischer Bedeutung. Mu hammed
(= der Gepriesene), der Sohn Abdallahs, geboren 571 aus dem
priesterlichen Stamme der Koreischiten zu Mekka, früh von
epileptischen Anfällen heimgesucht und nervös aufserordentlich
reizfähig, seit 599 mit der zwar älteren, ihm aber treu ergebenen
und reichen Witwe Chädidscha verheiratet, behauptete 610 in
seinem 40. Lebensjahr, dafs in der „Nacht der göttlichen Rat¬
schlüsse“ ihm der Erzengel Gabriel erschienen sei und ihm
den Willen Gottes geoffenbart habe, dafs er die Lehre predigen
solle: Allah (d. i. Gott) ist Allah, und Muhammed ist sein
Prophet. Allmählich gewann Muhammed Anhang in Mekka,,
wurde aber auch heftig von den Koreischiten angefeindet,,
welche die Hüter des schwarzen Meteorsteines in der Kaaba
zu Mekka waren und von den Pilgern viel Nutzen zogen, und
mufste im September 622 von Mekka nach Yathrib (seither
Medina genannt) fliehen; von dieser Hedschra (= Wanderung)
an datiert die Zeitrechnung der Muhammedaner, als deren erster
Tag übrigens der 16. Juli 622 gerechnet wird, der erste Tag des
arabischen Jahres. In Medina fand der Prophet solchen Anhang, dafs
er am Ende im Krieg obsiegte und 630 als Sieger nach Mekka heim¬
kehrte, wo er die Götzenbilder in der Kaaba zertrümmerte, dieses
Heiligtum aber samt dem schwarzen Stein als religiösen Mittelpunkt
der Gläubigen bestehen liefs. Bald war ganz Arabien für die neue
Religion gewonnen, und Muhammed forderte selbst die Fürsten
der Griechen und Perser zur Annahme derselben auf, starb aber
bald hernach 61jährig am 8. Juni 632 an einem heftigen Fieber.
Muhammed, dessen persönlicher Charakter weit reicher an guten
als an schlimmen Zügen war, ist sicherlich kein Betrüger gewesen;
er war vielmehr von der Wirklichkeit der visionären Zustände über¬
zeugt, in welchen er den Boten des ewigen und einzigen Gottes schaute.
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