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dieser heiligen Stätte hoffte der unglückliche Greis Gnade zu finden 
bei den erzürnten Feinden. Aber wie hatte er sich geirrt' Mit 
entblößten Schwertern drangen sie herein: erst stachen sie die jüngsten 
Sohne nieder vor den Augen des Vaters, dann diesen selbst. Hektars 
kleiner^ Sohn ward aus den Armen der Mutter gerissen und' durch 
die wütenden Griechen von der Zinne eines Turmes herabgeschleu- 
dert. ^Die Frauen traf insgesamt das Los der Sklaverei. 
Nur einem kleinen Häuflein von Trojanern war es vergönnt, 
sich durch die Flucht zu retten. Alle übrigen fielen durch das Schwert 
oder wurden in die Knechtschaft geführt/Unermeßlich war die Beute 
an Gold, Silber und Edelgestein, welche die Griechen nach ihren 
Schiffen schleppten. 
Noch tagelang wälzte sich das Feuermeer durch die weite Stadt. 
Dann Kinken die Flammen allmählich in sich zusammen, und nur 
wüste Schutthaufen und qualmende Rauchwolken zeugten von den 
Greueln der Zerstörung und verkündeten dem umliegenden Lande, 
daß es auf immer aus sei mit Trojas Herrlichkeit. 
22. Odysseus. 
hinter allen Helden, die vor Troja gekämpft hatten, war keinem 
ein )o w'.driges Geschick beschieden, bevor er in seine Heimat zurück¬ 
kehrte, wie dem klugen Odysseus von Ithaka. 
Mit zwölf bemannten Schiffen war der Held gen Troja aus¬ 
gezogen. Keins derselben hatte er m dem Kriege verloren: mit allen 
fuhr er von Troja nach der Heimat ab. Der Wind trug ihn zu¬ 
nächst nach dem Lande der Kikonen. Er eroberte die Hauptstadt 
derselben und zerstörte sie und machte reiche Beute. Hierauf wollte 
er eilig weiter segeln. Aber seine thörichten Gefährten gehorchten 
ihm nicht, sondern hielten von den geplünderten Vorräten schwelge¬ 
rische Schmausereien am Gestade. Da wurden sie unvermutet von 
den Kikonen aus dem inneren Lande überfallen. Sie erlagen der 
Übermacht: sechs Mann von jeglichem Schiffe kamen ums Leben 
Mit den übrigen entrann Odysseus durch schleunige Flucht dem Ver¬ 
derben. 
Nach längerer Fahrt hatten sie die südliche Spitze von Griechen¬ 
land erreicht. Aber da sprang plötzlich der Wind um und jagte sie 
wieder in die offene See hinaus. Neun Tage lang wurden die 
Fahrzeuge auf dem unbekannten Meer umhergetrieben, am zehnten 
gelangten sie an das Ufer der Lotophagen, d. i. Lotosesser. Daselbst 
landeten sie und erquickten sich an Speise und Trank. Darnach 
schickte Odysseus drei seiner Gefährten aus um zu erkunden, welcherlei 
Leute das Land bewohnten. Die Lothophagen waren den Fremd¬ 
lingen freundlich gesinnt und gaben ihnen von ihrer Speise, dem 
Lotos, zu essen. Aber die honigsüße Blumenkost hatte eine wunder¬ 
bare Wirkung. Als die Leute des Odysseus davon gekostet, dachten 
sie nicht mehr an Weiterfahrt und Heimkehr: sie wollten immerdar
	        
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