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entgelten, was ich Brunhilden zu leide gethan habe." Hagen ant¬
wortete daraus: „Es ist alles vergessen, und ich ziehe eben mit in
den Krieg, um Sigfrid zu dienen. Wenn ihr sorgt, daß er verwundet
werde, so vertrauet mir an, wie ich ihn beschützen kann." Arglos
sprach das edle Weib: „Zwar ist Sigfrid durch seine Hornhaut so
geschützt, daß ich ohne Sorge sein könnte. Aber als er sich in dem
Blute des Drachen badete, fiel zwischen die Schultern ein breites
Lindenblatt, so daß dort die Haut nicht hörnen ward. Kommen
nun in dichten Flügen die Kriegsspeere auf ihn angeflogen, so könnte
doch einer diese Stelle treffen." Hagen riet ihr, auf dem Gewände
Sigfrids die gefährliche Stelle mit einem kleinen Zeichen anzudeuten,
er wollte ihn dort getreulich schützen. Darauf nahm er urlaub und
ging von dannen, froh darüber, daß er das Geheimnis erfahren hatte.
Am folgenden Morgen begann die Kriegsfahrt. Hagen ritt nahe
an Sigfrid heran um zü sehen, ob Krimhild das Zeichen eingenäht
hätte. ' Als er es erkannte, schickte er heimlich zwei seiner Mannen
voraus, daß sie dem Herrn Sigfrid entgegenkommen und sagen
sollten, Lüdeger hätte sie gesandt und ließe dem König Günther
Frieden entbieten.
Ungern kehrte Sigfried wieder um. Als er vor den König kam,
dankte ihm dieser für seine Bereitwilligkeit, ihm zu helfen. „Nun
lohn euch Gott, Freund Sigfrid," sprach er, ..daß ihr gern thun
wolltet, was ich mir not wahnte. Da wir aber der Heerfahrt nun
entledigt sind. so wollen wir Bären und Schweine im Wasgenwald
jagen; daß soll man allen meinen Gästen kund thun." Diesen Rat
hatte Hagen, der ungetreue Mann, gegeben.
14. Die Helden ritten von dannen in den wilden Wald. Mancher
schnelle Ritter folgte zur Kurzweil Günthern und Sigfriden; Gernot
und Giselher aber blieben daheim. Schwer beladene Roffe folgten
den Iagdgefellen, die trugen Brot und Fleisch und mancherlei Gerät,
wie es einem so reichen Könige zukömmt.
Vor dem Walde ließ man die stolzen Jäger auf einem breiten
Anger Herbergen. Dann ward an allen Enden die Warte bestellt.
Da sprach Sigsrid: „Wer soll uns in den Wald nach dem Wilde
weisen, ihr raschen Degen?" — „Wir wollen uns scheiden," ant¬
wortete Hagen, „ehe wir hier zu jagen beginnen: so mögen wir
erkennen, wer die besten Jäger Leute und Hunde wollen wir
teilen dann gehe jeder, wohin ihn gelüstet, und wer das Beste jagt,
dem wollen wir alle dank sagen." Da verweilten die Jager nicht
lange mehr bei einander.
Der alte Waidmann, den Sigfrid zum Führer erwählte, nahm
einem guten Spürhund und brachte den Herrn in kurzer Zeit dahin,
wo sie viele Tiere fanden. So viel nun deren aus ihrem Vager
hervorkamen, die erjagten die guten Gesellen. Auch ein starker Eber
ward von dem Bracken aufgetrieben. Als der fliehen wollte, kam
Sigfrid im schnellen Lauf herbei und vertrat ihm den Weg. jn
grimmigem Zorn stürzte das Schwein dem kühnen Degen entgegen,
er aber sing es mit dem Schwerte ab: kein anderer Degen hätte
das so leicht gethan.