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Das Zeitalter der zunehmenden Auflösung des Reichs.
8$anfeer § 53. Die deutsche Hanse. Inzwischen gewann die niederdeutsche
Hanse, unabhängig von der Reichsgewalt, die höchste Machtstellung,
die damals dem deutschen Bürgertum beschieden gewesen ist. Aus
kleineren Vereinigungen war sie zu einem großen Bunde zusammen-
gewachsen, der den nordischen Handel von England bis zum Finnischen
Meerbusen fast völlig beherrschte (vgl. § 41). Der Vorort war Lübeck,
wo die Tagsahrten des Bundes meist abgehalten wurden. Man zählte
über 70 Hansestädte. Diese zerfielen in gewisse Gruppen: die wen-
d i s ch e n Städte mit Lübeck als Vorort, die sächsischen (z. B.
Braunschweig), westfälischen (Dortmund u. a.), die rheini-
sch en, deren bedeutendste Köln war, ferner die märkischen
(Berlin-Kölln u. ct.), die preußischen Städte (z. B. Danzig und
Thorn); aber auch Riga und andere Städte L i v l a n d s und E st h -
l a n d s gehörten der Hanse an.
Den Höhepunkt ihrer Macht erreichte die Hanse durch den sieg-
reichen Krieg gegen Waldemar IV. von Dänemark, der sich der
Stadt Wisby auf Gotland bemächtigt hatte. Die Flotte der Städte
eroberte Kopenhagen, Waldemar verließ flüchtig sein Land, und der
tirdfunb dänische Reichsrat bestätigte im Frieden von Stralsund die
1370 Handelsprivilegien der Hansestädte. Auch versprach er, daß kein König
von Dänemark ohne Zustimmung der Hanse gewählt werden solle: ein
Recht, das diese indessen bald aufgab. Auch im 15. Jahrhundert hat
die Hanse nicht selten Krieg führen müssen; so behauptete sie ihre
Handelsmacht und ihre große politische Stellung. Volle
Einigkeit freilich herrschte selten unter den Hansestädten; die gegen-
seitige Eifersucht war stark, zumal Köln trieb gern eine Sonderpolitik.
Zudem schmolz der Bund dadurch zusammen, daß eine Reihe inner-
deutscher Städte sich der fürstlichen Landeshoheit nicht zu
erwehren vermochte und, wie z. B. Berlin-Kölln durch Friedrich II.
von Brandenburg, zum Austritt aus der Hanse gezwungen wurde.
Aber ein Rückgang der Hanse trat erst ein, seit ihre Allein-
Herrschaft über den Ostseehandel erschüttert wurde. Je mehr die n o r -
noMschenöischen Staaten innerlich und äußerlich erstarkten, desto mehr
Staaten suchten sie sich der Handelsherrschaft der deutschen Kaufleute zu ent>
ziehen. Der schwedische König Gustav Wasa^) nahm eine der
1) 1397 hatten sich die skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen
unb Schweden zu einer Union zusammengeschlossen. 1523 ritz sich Schweden
unter Gustav Wasa von Dänemark los.