— 77 —
wo aufs neue zahlreiche Trauernde denselben in Empfang nahmen. In
Wittenberg ward der Sarg unter dem Geleite von Taufenden, die
demselben weinend folgten, in die Schloßkirche gebracht. Hier hielt
der Stadtpfarrer Bugenhagen die Leichenpredigt, und Melanchthon
hielt eine Trauerrede im Namen der Universität. Unweit der Kanzel,
auf der Luther so oft gepredigt hatte, ward der Sarg in die Erde
gesenkt. Eine Metallplatte deckt das Grab; sie trägt die kurze In¬
schrift: „Martin Luther" nebst Todestag und Zahl der erreichten
Lebensjahre. Einer längeren Jnfchrift bedurfte es bei diesem Grabe
für keinen, der es je besuchte.
Wir aber wollen thun nach den Worten, mit denen Melanchthon
feine Trauerrede schloß: „Wir wollen ein ewig Gedächtnis dieses
unseres lieben Vaters behalten, und erkennen und betrachten, daß er
ein edel, köstlich, nützlich und heilsam Werkzeug Gottes gewesen, und
wollen seine Lehre mit treuem Fleiß lernen und behalten, daneben auch
seine Tugenden uns zum Vorbild nehmen und denselben nach unserem
Maß fleißig nachfolgen."
12. Der dreißigjährige Krieg.
1. Nach Luthers Tode gab es in Deutschland zwei Religions¬
gemeinschaften: die Katholiken, welche den Papst als ihr Oberhaupt
anerkannten und nach feiner Lehre sich richteten, und die Prote¬
stanten, die nur das Wort Gottes als Richtschnur ihres Glaubens
gelten ließen und die man auch Evangelische oder Lutherische
nannte.
In vielen deutschen Ländern gab es säst nur lutherische Christen,
und auch in solchen Ländern, wo die Bewohner noch meist Katholiken
waren, fand die lutherische Lehre immer mehr Eingang. Luthers
deutsche Bibel, sein Katechismus und die lutherischen Kirchenlieder
wurden in gar vielen Gemeinden, in Kirchen und Schulen und in
den Familien fleißig gelesen, gelernt und gesungen. Selbst die auf
Karl X . folgenden deutschen Kaiser hinderten die weitere Ausbreitung
der evangelischen Lehre nicht, und in ihren Ländern durften die Evan¬
gelischen ungehindert Kirchen bauen und ihren Gottesdienst halten,
Schulen gründen und ihre Kinder in dem lauteren Worte Gottes
unterweisen lassen.
^ Auch in Böhmen erfreuten sich die zahlreichen Protestanten solcher
Duldung, denn die deutschen Kaiser waren schon seit langen Zeiten
zugleich Könige von Böhmen.
Da kam ein Kaiser, Rudolf mit Namen, zur Regierung, dem
die Protestanten in Böhmen nicht recht trauten, ob er ihnen auch das
Recht freier Religionsübung lassen werde. Sie wählten ihn zwar auch
zum Könige von Böhmen, aber er mußte ihnen zuvor in einer von
ihm selbst unterschriebenen Urkunde versprechen, sie in ihrem Glauben