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Vater brachte denKnabenhierauf zu demKentaurenCheiron,
der ihn mit den Eingeweiden von Löwen und dem Mark von
Bären undEbern nährte und in aller Weisheit unterrichtete.
Ferner wird erzählt, Thetis habe ihren jungen Sohn, weil
sie wußte, daß er vor Troja fallen werde, dem Kriege zu ent¬
ziehen gesucht und ihn ans die Insel Skyros gebracht, wo er
unter den Töchtern des Lykomedes in Frauenkleidern ver¬
borgengehaltenwurde. Aber da man durch eine Weissagung
wußte, daßTroja ohueAchilleus nichterobert werden konnte,
so übernahm es Odysseus, ihn aufzusuchen. Er kam, als Kauf¬
mann verkleidet, nach Skyros und breitete vor den Mädchen
allerlei schöne Schmucksachen aus, legte aber auch schöne
blinkende Waffen dazu. Während die Jungfrauen die
Waaren betrachteten, ließ Odysseus draußen plötzlich die
Kriegstrompete blasen und Schlachtruf und Waffengetöse er¬
schallen; die Jungfrauen entflohen, aber Achilleus ergriff
Schild und Schwert und stürzte mit jugendlichem Kampfes¬
muth dem vermeintlichen Feinde entgegen. So wurde er ent¬
deckt und versprach gern, an dem Kriegszuge Theil zu
nehmen. Vor Troja war Achilleus bei weitem der Erste au
Stärke uud Muth, aber auch der edelste und erhabenste
Charakter. Es war ihm vom Geschick die Wahl gestellt
zwischen einem kurzen ruhmvollen Leben und einem rühm¬
losen Alter; ohne Bedenken wählte er das Erste. Zwar ist
sein kräftiges Herz unbändig und unbeugsam im Zorn, aber
ebenso empfänglich ist es auch für die zarteren Empfindungen
der Liebe und Freundschaft. Sein etwas älterer Freund
Patroklos, tapfer und edel wie er, begleitete ihn in den Krieg,
sowie sein alter Lehrer Phoinix.
Auf der trojanischen Seite war der Anführer Hektor,
der älteste Sohn desPriamos; denn Priamos selbst war zu
alt sür den Krieg. Hektor war ein edler, hochherziger Fürst
und ein starker, tapferer Krieger, unermüdlich in der Er¬
füllung seiner Pflicht, der Vertheidigung des Vaterlandes.
Sein Bruder Paris dagegen, der den unseligen Krieg ver¬
anlaßt, ist leichtsinnigen und unsteten Charakters, bald tapfer
und herausfordernd, bald feig und weichlich. Der ans-