Full text: Römische Geschichte (Bd. 2)

Kämpfe mit den Alpenvölkern. 63 
die Abgründe geworfen, die Packtiere rollten, wie stürzende 
Gebäude, den Berg hinab. Hannibal sah von der Höhe 
herab das Getümmel an, ohne einzugreifen, denn er fürchtete 
die Unordnung zu vermehren; als er aber sah, daß der 
Zug durchbrochen ward, eilte er zur Hilfe herbei und ver¬ 
jagte den Feind ohne Mühe, worauf die Ordnung wieder 
hergestellt wurde. 
Im Thal der Jsere angelangt, züchtigte Hannibal den 
Feind durch Wegtreibuug des Viehs und Eroberung mehrerer 
Bergfesten. Als er nach eintägiger Rast durch das breite Thal 
aufwärts zog, gelangte er am vierten Tage zu der Grenze der 
Centronen, wo das Thal sich wieder verengte. Die Ältesten 
der Centronen kamen ihm mit grünen Zweigen und Kränzen 
entgegen und baten ihn um friedlichen Durchzug, indem sie 
Geiseln, Wegweiser und Lebensrnittel versprachen. Hannibal 
nahm an, was sie boten, und gab sich den Schein, als ver¬ 
traute er ihnen vollständig; doch zog er mit großer Vorsicht 
weiter. Und bald zeigte sich's auch, daß er recht gehabt; 
denn als er sich von der Jsere ab nach dem Gipfel des 
St. Bernhardt hinaufwandte, griffen die Barbaren von 
hinten und von vorn an und durchbrachen den Zug. Vom 
Gepäck und von der Reiterei getrennt, übernachtete Hannibal 
mit seinem Fußvolk an dem s. g. weißen Stein (la röche 
blanche), einem hohen freistehenden Kreidefelsen am Fuße 
des St. Bernhardt. Der Fels sicherte ihn gegen die herab¬ 
rollenden Steinblöcke. Am folgenden Tage drang er glück¬ 
lich durch die gefährliche Enge und gelangte dann mit dem 
gesamten Heere, ohne noch viel beunruhigt zu werden, nach 
vielen Irr- und Umwegen auf den Gipfel der Alpen. Im 
ganzen hatte er 9 Tage zum Aufsteigen gebraucht. Während 
das ermüdete und ziemlich entmutigte Heer zwei Tage lang 
aus der Hochebene zur Seite des St. Bernhardt Rast hielt, 
sammelten sich in dem Lager noch viele Verirrte und ver¬ 
sprengte Nachzügler; auch manches gestürzte Lasttier stellte 
sich noch ein. 
Am dritten Tage begann der Hinabmarsch. Dieser war, 
obgleich man von feindlichen Angriffen nicht mehr beim-
	        
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