Full text: Das Mittelalter (Band 2)

Zunftwesen. 259 
stuben, um die Angelegenheiten der Innung zu verhandeln; 
das geschah bei geöffneter Lad e, in welcher die Zunftartikel, 
von den Genossen selbst und oft wunderlich aufgestellt, die Ur¬ 
kunden und die Handwerkskasse, das Jnnnngssiegel mit dem 
Handwerkswappen (bei den Bäckern z. B. eine von zwei aufge¬ 
richteten Löwen gehaltene Bretzel) aufbewahrt wurden. Unter- 
feierlich - ernst geübten Ceremonien, wunderlichen 
und sinnvollen Bräuchen, mit unbedecktem Haupte wurde 
vor geöffneter Lade verhandelt; Lehrjnngen aufge¬ 
dungen und losgesprochen, ein Gesell zum Jungmeister gemacht, 
ein Auswärtiger ins Handwerk ausgenommen, ein Obermeister- 
gewählt, Kapitalien verliehen. Diese entstanden durch Legate, 
dem Kassenanteil von den Gebühren beim Aufdingen, Lossprechen 
und Meisterwerden, durch Strafgelder für Vergehen gegen Zunft¬ 
gebrauch und die regelmäßigen Beiträge der Zünftler,' die soge¬ 
nannte Lage. Ein Teil der Einnahmen wurde zur Erhaltung 
von Spitalstellen und zu Begräbniskosten, ein anderer für die 
Herberge und zur Unterstützung wandernder Gesellen, ein dritter 
für Wein und Bier zur Erquickung verwendet, und der Rest 
wurde zum Stammkapital geschlagen. — Mit der zunehmenden 
Ausbildung der Handwerke in den Zünften teilten sich allmählich 
die Hauptgattungen der Gewerke in besondere Klassen ab, welche 
dann selbständige Handwerke bildeten; ganz genau wurde 
bestimmt, welche Art von Arbeit jedes Gewerk zu 
fertigen berechtigt sei, und Übergriffe in die privilegier¬ 
ten Berechtigungen wurden eifersüchtig ferngehalten. Sehr häufig 
ist in den alten Städten die Gewohnheit, daß die gleichen 
Handwerker in bestimmten Straßen bei einander wohn¬ 
ten, und noch zeugen davon alte Straßennamen wie Riemerzeile, 
Glockengießerstraße, Bäckergrube, Fleischhauerstraße, Messergasse 
u.dgl. Die alten Zünfte tragen durchaus den Charakter 
von Monopolen, welche in den alten Jnnnngsstatnten mit 
großer Engherzigkeit und egoistischer Willkür gewahrt erscheinen. 
Überhaupt tritt bald eine Verknöcherung und selbstsüchtige Ab- 
schließuug der Zünfte ein mit allerlei selbstgemachten Erschwe¬ 
rungen für die Aufnahme in die Zunft. Meistersöhne 
hatten iu dieser Beziehung immer eiu Vorrecht, Fremden war 
der Zugang sehr erschwert, mit Ehikanen hielt man sie fern So 
rühmlich es ist, daß die Zünfte aus sittliche Zucht ihrer Glieder 
hielten, so hochbedeutsam ihr ehemaliges Standesbewußt¬ 
sein ist, so hart und engherzig erscheinen uns die mittelalter¬ 
lichen Bestimmungen über Zunftfähigkeit. Söhne von Ba¬ 
dern oder Barbierern, von Totengräbern, Trompetern, Hirten, 
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