Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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um die Unternehmungen der Athener zu vereiteln. Dies geschah und mit 
solchem Erfolge, daß der anfangs für Athen glückliche Feldzug den schlimm¬ 
sten Ausgang hatte. Nach vielen Verlusten mußten sich die Athener den 
Syrakusern ergeben, die Gefangenen wurden in die Steinbrüche von Syra¬ 
kus geworfen, wo sie elend verschmachteten. Nicias wurde nebst seinem 
Mitfeldherrn auf dem Markte zu Syrakus öffentlich enthauptet. Nun 
waren die Hülfsmittel der Athener erschöpft und Verzweiflung bemächtigte 
sich aller Gemüther. Alcibiades hatte sich gerächt. 
Dieser wetterwendische Mann nahm in Sparta ganz die Sitten des 
spartanischen Volkes an; er badete im Eurotas, ward mäßig und aß die 
schwarze Suppe, wie ein echter Lakone. Bald war er auch hier der 
Liebling von Alt und Jung. Doch die Regierung schöpfte Mißtrauen, 
und als er noch obendrein den König Agis beleidigt hatte, war er in 
Sparta nicht mehr sicher und ging nach Asien zum persischen Statthalter 
Tissaphernes. Auch diesen wußte er für sich zu gewinnen, daß derselbe 
nicht mehr wie bisher den Lacedämoniern, sondern den Athenern Hülfe 
versprach. Hierdurch söhnte sich Alcibiades wieder mit seinen Landsleuten 
aus und bewirkte seine Zurückberufung. Ehe er aber in seine Vaterstadt 
zurückkehrte, wollte er erst rühmliche Thaten verrichten; nur als ruhm¬ 
gekrönter Sieger wollte er in Athen einziehen. So ging er denn zuerst 
nach Samos, wo die athenische Flotte lag, und mit ihm kehrte das Glück 
zu den Athenern zurück. Sie schlugen die Spartaner zu Wasser und zu 
Lande und eroberten alle verlorenen Städte und Inseln wieder. Der 
Name Alcibiades verbreitete bei den Freunden Siegesmuth, bei den Fein¬ 
den Furcht und Schrecken. Die gedemüthigten Spartaner schrieben in 
ihrer gewohnten Kürze nach Hause: „Unser Glück ist dahin, der Anführer 
ist getödtet, die Soldaten hungern, wir wissen nicht, was zu thun." In 
dieser Noth schickte Sparta eiligst Gesandte nach Athen, die demüthigst 
um Frieden baten; aber das übermüthige Volk der Athener wies alle 
Anträge stolz zurück. 
Alcibiades segelte mit reicher Beute beladen und mit den Trümmern 
von 200 zerstörten Schiffen als Siegeszeichen zu seiner Vaterstadt zurück. 
Als er sich dem Piräus näherte, erwartete ihn eine zahllose Menge Vol¬ 
kes; doch stieg der Held nicht eher aus, als bis er seine Verwandten am 
Ufer erblickte. Nun landete er; das Volk richtete alle seine Blicke nur 
auf ihn und schien für die andern Feldherren, die ihn begleiteten, gar 
kein Auge zu haben. Alcibiades ging in die Volksversammlung und ver¬ 
theidigte sich hier gegen alle ihm zur Last gelegten Beschuldigungen, klagte 
jedoch nicht das Volk, sondern nur sein Mißgeschick an, und am Schluffe 
seiner Rede feuerte er die Athener zur kräftigen Fortsetzung des Krieges 
an. Das Volk gab ihm sein Vermögen zurück, widerrief den über ihn 
ausgesprochenen Fluch und ernannte ihn zum unumschränkten Anführer zu 
Wasser und zu Lande. Weinend empfing Alcibiades die Beweise des Wohl¬ 
wollens seiner Mitbürger und unter der Menge selbst beweinten Viele 
sein herbes Mißgeschick.
	        
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