Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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Götter und Menschen um Rache an. Das ganze Volk gerieth in Auf¬ 
ruhr. Appius wurde ergriffen und in's Gefängniß geworfen, wo er sich 
selbst entleibte; seine Genossen flohen aus Rom. So nahm die Regierung 
der Zehnmänner ein Ende und die Konsuln und Tribunen traten wieder 
in ihre Rechte ein. Zum zweiten Mal ging Roms Freiheit aus dem 
Blut einer edlen mißhandelten Römerin hervor! 
6. Kamillus und Manlius. 
1. 
Sobald die Römer wieder Kräfte gesammelt hatten, wollten sie den 
schon Jahrhunderte lang dauernden Kampf mit V e j i endlich auskämpfen. 
Veji war die größte und mächtigste Stadt Etruriens; sie lag auf einer 
Anhöhe, am rechten Ufer der Tiber, lieberragende Felsen und Mauern 
schienen sie gegen jeden feindlichen Angriff hinreichend zu schirmen. Dennoch 
unternahmen die Römer (im Jahre 406) die Belagerung; sie warfen Wälle 
auf, errichteten Sturmdächer und ließen selbst im Winter nicht von der 
Belagerung ab. Doch ward die Stadt erst im zehnten Jahre, wie das 
einst von den Griechen belagerte Troja, eingenommen. Der Held, dem die 
Eroberung gelang, war der Diktator Kamillus. Dieser ließ unter den 
Mauern hindurch einen unterirdischen Gang graben, und während er von 
Außen stürmen ließ, stiegen von Innen die geharnischten Männer aus der 
durchbrochenen Kluft in die Stadt und überrumpelten die Einwohner. 
Unermeßlich war die Beute, die man in Veji fand. Das Triumphge¬ 
pränge übertraf alles bisher Gesehene. Der Diktator fuhr in einem mit 
vier weißen Rossen bespannten Wagen das Kapitol hinan. Das schien 
Vielen sträfliche Hoffart, denn weiße Rosse waren dem Jupiter und der 
Sonne heilig. In der That wurde auch Kamillus bald sehr übermüthig, 
und einen Theil der Beute unterschlug er. Darum ward er von dem Volks¬ 
tribun Apulejus angeklagt, entzog sich aber der Strafe durch eine freiwillige 
Verbannung nach Ardea. Scheidend that er das unedle Gebet, daß die 
Römer bald in Noth kommen und sich nach seiner Hülfe sehnen möchten. 
So beteten die Vaterlandsfreunde Aristides und Demosthenes nicht. 
2. 
Dem Kamillus ward sein Wunsch nur zu bald erfüllt. Im Norden 
von Italien, dort, wo das Land von den hohen Alpen begrenzt wird, 
hausete ein wilder Stamm der Gallier, die Senonen. Diese mochten 
nach den reichen Wein- und Kornländern Italiens lüstern geworden sein 
und drangen mit 30,000 streitbaren Männern nach Süden vor bis vor 
Klusium (Ehiusi) in Etrurien. Die erschrockenen Klusiner riefen eiligst 
die Römer zu Hülfe. Diese schickten, um vorläufig den Feind zu erkun¬ 
den, drei Gesandte, welche Brennus, den Oberanführer der Gallier, 
fragten, mit welchem Rechte er denn in das Gebiet freier Männer falle? 
„Das Recht," — erwiederte der tapfere Mann, — „führen wir auf der 
Spitze des Schwertes. Dem Tapferen und Starken gehört die Welt!"
	        
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