Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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Das Ländchen war ein schmaler Küstenstrich, vom Mittelmeere bespült; 
feine Breite betrug kaum fünf Meilen, seine Länge 25 Meilen. Von dem 
übrigen Asien war es durch das hohe Gebirge des Libanon und Antilibanon 
geschieden. Der Boden war felsig und unfruchtbar und gestattete weder 
Viehzucht noch Ackerbau. So sahen sich die Phönicier hinausgedrängt auf 
das Meer, das ihre eigentliche Heimath und nährende Mutter wurde, und 
ihnen vorläufig seinen Reichthum an Fischen darbot. 
Der Fischfang machte die Leute mit dem Meere und dessen Gefahren 
bekannt. Da ihnen gegenüber die große Insel Cyprus lag, so zimmerten 
sie Schiffe und wagten sich hinüber. Cypern war aber schon bevölkert, 
und als Fremde, die man für Feinde ansah, wollte man die Phönicier 
nicht landen lassen. Diese erzwangen mit List und Gewalt die Landung, 
fanden Manches, was ihnen fehlte, plünderten und schifften wieder zur 
heimischen Küste zurück. Die Schifffahrt weckt den Muth der Menschen, 
macht sie listig und erfinderisch. Die Phönicier wiederholten ihre Fahrten, 
und als sie merkten, daß die arglosen und unwissenden Inselbewohner 
auf kleine bunte Spielsachen großen Werth legten, brachten sie dergleichen 
mit und begannen einen Tauschhandel. Das Plündern ward aber nicht 
vergessen, und wenn sie konnten, führten die Phönicier auch Menschen mir 
sich fort, um sie anderwärts als Sklaven zu verkaufen. Bald wußten sie 
es dahin zu bringen, daß die Cyprier für sie arbeiteten; sie brachten ihnen 
dagegen, was sie hatten, und verhandelten die von ihnen gewonnenen 
Früchte und Arbeiten wieder in andere Gegenden. So wurden die Phö¬ 
nicier nach und nach Herren der Insel Cyprus. Mehrte sich nun zu sehr 
die Anzahl der Einwohner im eigenen Vaterlands, so ging ein Haufen 
nach Cypern hinüber und baute sich dort an. Eine solche Ansiedlung im 
fremden Gebiet heißt eine Kolonie. 
Die Kolonie auf Cypern gab wegen der reichhaltigen Kupferbergwerke 
der Insel guten Gewinn, und erweckte die Lust, noch mehrere Kolonien zu 
gründen. So segelten die Phönicier nach der ferner gelegenen Insel Kreta, 
dann um ganz Kleinasien herum bis nach der Meerenge der Dardanellen, 
welche Asien von Europa trennt. Sie fuhren durch diese Meerenge hin¬ 
durch und beschifften die Ufer des Schwarzen Meeres. Ueberall errichteten 
sie feste Punkte, wo sie später ihre Schiffe ausbessern, Nahrungsmittel ein¬ 
nehmen und Waaren austauschen konnten. Dann segelten sie nach dem 
europäischen Griechenland und in das griechische Jnselmeer. Doch die 
Griechen in Kleinasien wurden nun selbst Seefahrer, nahmen die Phönicier 
zu ihren Lehrmeistern und verdrängten sie dann von allen Handelsplätzen. 
Doch konnten die europäischen Griechen der Phönicier nie ganz entbehren, 
weil sie ihnen manche wohlriechende Kräuter, Harze, Früchte, edle Me* 
talle u. s. f. brachten, die sie für ihre Opfer und Tempel brauchten. 
Desto fester siedelten sich dafür die Phönicier an der Nordküste Afrika's 
an. Hier legten sie auf einer hervorragenden Landspitze, der Insel Sicilien 
gegenüber, die berühmte Kolonie Karthago an, die nachher ein eigener 
mächtiger Staat wurde, und von dort schifften sie über nach Sicilien, baneten
	        
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