Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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Atride sein Schwert aus der Scheide und führte einen gewaltigen Streich 
auf den Helm seines Gegners, aber knitternd zersprang ihm die Klinge. 
„Grausamer Zeus, was mißgönnst du mir den Sieg?" rief Menelaus, 
stürmte auf den Feind los, ergriff ihn am Helm und zog ihn umge¬ 
wendet der griechischen Schlachtordnung zu; ja, er hätte ihn geschleift 
und der beengende Kehlriemen ihn erwürgt, wenn nicht die Göttin 
Aphrodite die Noth gesehen und den Riemen gesprengt hätte. So blieb 
dem Menelaus der leere Helm in der Hand; er schleudert ihn unwillig 
den Griechen zu und will den Gegner abermals packen. Aber siehe — 
Paris ist verschwunden, die Göttin hat ihn in eine Wolke gehüllt und 
schnell nach Troja entführt, wo sie ihn bei der geliebten Helena niedersetzte. 
Auf dem Kampfplatze durchstürmte Menelaus noch immer wie ein 
Raubthier das Heer, um nach der verlorenen Beute zu spähen; aber 
weder ein Trojaner noch ein Grieche vermochte den Fürstensohn zu zeigen 
Da erhob Agamemnon seine weithinschallende Stimme und rief: „Höret, 
ihr Griechen und ihr Völker aus Troja 1 Menelaus hat gesiegt, ihr habt 
den Eid geschworen und gebet nun Helena mit den Schätzen zurück, be¬ 
zahlet auch fortan den Griechen Tribut!" Die Danaer hörten diese 
Worte mit Jubel, die Troer aber schwiegen. Sie meinten, Paris, von 
den Göttern geschützt, sei noch nicht überwunden — und der Kampf ent¬ 
brannte aufs Neue. 
5. Hektor und Ajax im Zweikampf. 
Einst sah die Göttin Pallas Athene (Minerva) vom hohen Olymp 
herab die zwei Brüder Hektor und Paris hineilen zum Kampf; da flog 
sie stürmisch hinab zur Stadt Troja. An Jupiter's Buche begegnete ihr 
Apollo, der von der Zinne der Burg, von wo er die Schlacht der Tro¬ 
janer lenkte, daher kam, und seine Schwester also anredete: „Welcher 
Eifer ist doch über dich gekommen, Minerva! Bist du noch immer auf 
den Fall Troja's bedacht, Erbarmungslose? Hast du mir doch verspro¬ 
chen, für heute den entscheidenden Kampf ruhen zu lassen! Laß ein ander 
Mal die Feldschlacht toben, da du und die strenge Juno nicht ruhen, 
bis die hohe Stadt Ilion dahin sinkt!" Ihm antwortete Pallas Athene: 
„Fernhintreffer, es sei, wie du sagst. Aber wie gedenkst du den Kampf 
der Männer zu stillen?" — „Wir wollen" — sprach Apollo — „dem 
gewaltigen Hektor seinen Muth noch steigern, daß er einen Danaer 
fordere zum entscheidenden Zweikampf; laß uns dann sehen, was diese 
thun." Damit war die Göttin zufrieden. 
Das Gespräch der Unsterblichen hatte der Seher Helenos in seiner 
Seele vernommen; eilig kam er zu Hektor und sprach: „Weiser Sohn des 
Priamus, wolltest du diesmal meinem Rathe gehorchen, der ich dein lie¬ 
bender Bruder bin? Heiß die Andern alle, Trojaner und Griechen, vom 
Streite ruhen; du selbst aber fordere den Tapfersten aller Argiver zum 
Zweikampf heraus. Es drohet dir kein Unglück, deß bin ich Bürge."
	        
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