VI. Die skandinavischen Reiche. 6. Schweden und Norwegen.
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Stürmen sehr ausgesetzt und im höheren Norden ist das Meer beinahe nie
ruhig. Durch die zahlreichen Fjorde und die Insel- und Klippenreihe,
welche die Küste in geringer Entfernung begleitet, entstehen zwar unzählige
und treffliche Häfen und Landungsplätze; aber Ebbe und Fluth verursachen
auch au so zerschnittenen Küsten die gewaltigsten Brandungen, besonders in
höherer Breite. Dennoch aber ist der größte Theil des Landes nur durch
jene die Communication wesentlich fördernde Küstenentwicklung (etwa 2000
M. Länge) eigentlich bewohnbar. Längs der Westküste geht in einiger
Entfernung von derselben eine Meeresströmung von S. nach N., und von
Bergen bis zum Nordcap zieht sich 6—10 Seemeilen von der Küste eine
fast ununterbrochene Erhöhung des Meeresbodens, welche 1—3 geogr. M.
breit ist und als Fischbank benutzt wird. Nicht minder gefährlich als die
Westküste ist der Bottnische Meerbusen wegen seiner Enge und seiner vielen
Inseln, welche oft nur durch seichte Canäle von einander getrennt sind.
Höchst merkwürdig ist die Beobachtting, daß besonders in dem nördlichen
Theile dieses Busens das Meer anscheinend immer mehr zurücktritt: Meer¬
busen, welcbe noch vor weniger als IM Jahren beschifst wurden, sind jetzt
Moräste; zwischen manchen Inseln, wo sonst Kriegsschiffe gefahrlos durch¬
segelten, können jetzt nur noch leichte Boote durchkommen; früher nie gesehene
Felsen treten über die Wasserfläche heraus, und mehrere Seestätte in
Westerbotteu haben eine volle Meile gegen das sich von ihnen zurückziehende
Meer vorgerückt werden müssen, um nicht zu Binnenstädten zu werden.
Dieses scheinbare Sinken des Meeresspiegels, welches im N. etwa 4' in
100 Jahren beträgt, nimmt im südlichen Theile gegen W. hin allmälig
ab. Diese unzweifelhafte Erscheinung, welche auch im südlichen Theile von
Norwegen beobachtet ist, läßt jedoch sich nicht aus einer wirklichen Abnahme
des Wassers, sondern nur aus einer allmäligen Erhebung des Bodens, aus
vulcanischer Thätigkeit herleiten, obwohl die Halbinsel gegenwärtig nur selten
von Erdbeben beunruhigt wird. Bielleicht ist diese Hebung die Folge einer
Temperaturerhöhung und dadurch veranlaßten Ausdehnung der Gesteinschich¬
te u des Erdinnern, wovon wir im ersten Bande gesprochen haben. Auch
die Ostküste ist mit Inseln und Felsenriffen besäet; diese werden mit dem
treffenden Namen Scheeren bezeichnet (Skär, von skiira, zerschneiden)
und haben einer Abtheilung der schwedischen Flotte den Ursprung gegeben,
welche Scheerenflotte genannt wird und aus kleinen Kanonenbooten be¬
steht, die mit Hülfe der Ruder sich leicht zwischen diesen größeren Fahr¬
zeugen gefährlichen Klippen bewegen.
Beide Länder sind von unzähligen Seen und Flüssen trefflich bewässert;
doch sind nur sehr wenige, in Norwegen sogar kein einziger, schiffbar und
somit zur Verbindung des Innern mit der Küste geeignet. In Schwe¬
den, wo die größeren Flüsse Ulst die kleineren \ genannt werden, sind die
bedeutendsten: die Göta Elf, welche das Wasser des Wenersees ins Katte¬
gat führt: der lUntaia-Fluß,, welcher sich aus dem Wettersee in die Ostsee, die
Pal-Elf, bie Indals-Elf, die Angerman-Elf, die Umea-Elf, die Pitea-Elf,
die Luleä-Elf und die Tomea-Elf *), welche sich in den Botttüschen Meer¬
es Die Torneä-EIf ist wegen ihrer Gabeltheilung, wo sie einen Arm zux
Kalix-Elf absendet, merkwürdig.