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Bornstedt. An allen Leiden und Freuden der einzelnen Bewohner des Gutes
uahm das hohe Paar herzlichen Anteil, und die jungen Prinzen und Prinzessinnen
wurden ebenfalls hierzu angeleitet. Auch auf die Boruftedter Schuljugeud dehute
sich des Kronprinzen Fürsorge aus, und es kam häufig vor, daß er dem Unter¬
richt beiwohnte. Einmal hat er sogar selber Schule gehalten. Der Lehrer wurde
nämlich während der Anwesenheit seines hohen Gastes in einer dringenden Familien¬
angelegenheit abgerufen. Da ließ sich der Kronprinz ohne weiteres das Buch des
Lehrers geben nnd setzte den Unterricht bis zum Schluß der Stunde fort. —
Am Christfest deckte das kronprinzliche Paar nicht nur den eignen Kindern, son¬
dern der gesamten Bornstedter Jngend den Weihnachtstisch. Im Sommer aber
wurde auf dem Spielplatz der kroupriuzlicheu Kinder ein großes Kinderfest ab¬
gehalten. Unter den luftigen Klängen der Musik traf die festlich geschmückte
Kinderschar auf dem schattigen Spielplatz ein, um zunächst an langen, weiß ge¬
deckten Tischen mit Kaffee und Kuchen bewirtet zu werden. Dann folgten muntere
Spiele. Die Knaben durften die Kletterstangen und Turngeräte der jungen
Prinzen benutzen, während sich die Mädchen ans den Rasenplätzen mit Blindekuh,
Topffchlagen und andern Spielen belustigten. Zwischen den fröhlichen Kindern
schritten der Kronprinz und seine Gemahlin vergnügt einher, und die Prinzen
und Prinzessinnen verteilten kleine Geschenke als Spielpreise.
Kricgsjahrc. Im Jahre 1861 war Friedrich Wilhelm nach dem Tode seines
Oheims Kronprinz geworden. Drei Jahre später stand er vor den Düppeler
Schanzen zum erstenmal im feindlichen Feuer. Preußen und Österreich waren
gegen die Dänen zu Felde gezogen, weil diese die Herzogtümer Schleswig und
Holstein von unserm deutschen Vaterlande losreißen wollten. Bald waren die
Dänen besiegt, und Schleswig wurde unter preußische, Holstein aber unter öster¬
reichische Verwaltung gestellt.
Aber dieser gemeinsame Besitz verursachte bald einen neuen, viel blutigeren
Kampf, den Krieg zwischen Preußen und Österreich. Diesmal stand der Kron¬
prinz an der Spitze einer ganzen Armee, die er bald von Sieg zu Sieg führte.
Die Hauptschlacht fand bei Königgrätz statt. Sie ist mir durch das rechtzeitige
Eingreifen des kronprinzlichen Heeres gewonnen worden. Als der Kronprinz
am Abend des Schlachttages nach vielem Suchen feinen Vater, den König
Wilhelm, faud, umarmte ihn dieser und überreichte ihm den höchsten Militär¬
verdienstorden.
Die Weissagung der Oktoberfeuer am Geburtstage des Kronprinzen sollte in
noch herrlicherer Weise in Erfüllung gehen. Nachdem uns die neidischen Fran¬
zosen im Jahre 1870 ohne Grund ben Krieg erklärt hatten, wurde Friedrich
Wilhelm der Oberbefehl über die süddeutsche Armee übertragen, die hauptsächlich
aus Bayern, Schwaben und Badensern bestand.