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umher. Faule Spinnerinnen bestraft sie, indem sie ihnen den Rocken besudelt,
das Garn verwirrt oder den Flachs anzündet. Jungfrauen hingegen, die fleißig
abspinnen, schenkt sie Spindeln und spinnt selber für sie des Nachts, daß die
Spulen des Morgens voll sind. Fauleuzerinueu legt sie, nachdem sie ihnen die
Bettdecken weggezogen hat, nackend aufs Steinpflaster. Fleißige, die schon früh¬
morgens in reingescheuerten Eimern Wasser zur Küche tragen, finden ein Stück Geld
im Eimer. (Märchen von der Goldmarie und Pechmarie.) Gern zieht sie Kinder
in ihren Teich; die guten macht sie zu Glückskindern, die bösen zu Wechselbälgen.
(Wechselbalg — ein häßliches, ungestaltet Kind.)
f. Wesen und Irverge.
1. Die Riesen oder Hünen sind die Urheber aller gewaltigen Natnrkräste.
Die Sage versetzt sie in die Gebirge des Nordens. Hier stürzen sie die Schnee¬
lawinen ins Tal, verursachen die Erdbeben und lassen Feuer aus dem Berge
emporsteigen. Daher dachte man sie sich übermenschlich groß und stark. Sie
konnten Bäume aus der Erde reißen und mit Felsen wie mit einem Fangballe
spielen. In Westfalen, in der Lüneburger Heide und an vielen anderen Orten
zeigt man Riesensteine. Die sollen von der Hand eines Riesen dorthin geworfen
sein. An einigen solcher Steine sieht man noch den Eindruck von den fünf Fingern
des Riesen. Mit Siebenmeilenstiefeln schritten die Riesen über Berg und Thal.
Oft hinterließen sie riesige Spuren ihrer Fußtritte, wie solche der Mägdesprung im
Harze zeigt. In Sage und Dichtung treten die Riesen meist als plumpe und dumme
Gesellen auf, die von dem Menschen leicht übertölpelt werden. Man sagt daher von
einem dummen Menschen: „Er ist so dumm wie laug." (Welche Sagen von Riesen
sind dir aus deiner Heimat bekannt?)
2. Zwerge. Hier und da zeigt man noch heute Höhlen, in denen Zwerge
gewohnt haben sollen. Dort unten besaßen sie prächtige Wohnungen, geschmückt
mit schönen Säulen von Tropfstein. Sie waren die Hüter der unterirdischen Schätze,
des Goldes und Edelgesteins. Oft schwärmten sie auf der Oberwelt umher. Wie
wunderlich die kleinen Dinger aussahen! Selbst die größten unter ihnen waren nicht
größer als ein zweijähriges Kind. Der Kopf war dick und das Gesicht mit einem
langen Barte umrahmt. Die Füße waren uugestalt und sahen wie Gänsefüße ans.
Hüllten sich die Zwerge in die Tarnkappe (ein kurzes Mäntelchen), so waren
sie für den Menschen unsichtbar. Wenn man sie gewähren ließ, leisteten sie dem
Menschen allerlei Dienste. So halfen sie ihm oft unsichtbar bei der Arbeit,
daß sie rasch und gut von statten ging. Dem Dürftigen legten sie Speise ins
Fenster, dem Kranken reichten sie Kräuter und Tropfen, von denen er schnell gesund
ward. Häufig auch verkündeten sie eine nahe Gefahr oder ein bevorstehendes Unglück.
Fand eine Hochzeit statt, so gingen die Eltern und Verwandten des Brautpaares
nach den Zwerghöhlen und borgten von den Zwergen allerlei nötiges Tisch- und
Hausgerät. Die Zwerge setzten es alsbald vor den Eingang der Höhle, wo es
die Brautleute abholten. Nach der Hochzeit aber stellten sie das Geschirr, mit
etwas Speise gefüllt, wieder an den Ort, wo sie es gesunden hatten.
g. Gkfen und Mren.
1. Die Elfen hatten ihr Reich zwischen Himmel und Erde. Es waren
zarte, liebliche Geschöpfe von wunderbarer Schönheit. Sie schienen aus Duft und
Sonnenschein gewoben. Daher war ihr Körper ungemein leicht. Wenn sie sich
in den Kelch einer Blume setzten, kam diese nicht einmal ins Wanken. Trat so
ein zartes Wesen auf einen Tautropfen, so zitterte er wohl ein wenig, lief aber