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12. Blutrache und Gastfreundschaft. 
21. Sowohl die Feindschaften des Vaters oder des 
Anverwandten als seine Freundschaften zu übernehmen 
ist Pflicht; sie dauern aber nicht unversöhnlich fort. 
Denn selbst der Totschlag wird mit einer bestimmten 
Anzahl Rinder oder Schafe gebüßt '), und das ganze 
Haus nimmt die Genugtuung am: so will es die allgemeine 
Wohlfahrt, weil Befehdungen gefährlicher sind bei der 
Freiheit. 
Bewirtung und Gastrecht übt kein anderes Volk so 
freigebig aus. Irgend einen Menschen vom Hause ab¬ 
weisen wird für sündlich gehalten; jeder bewirtet den 
Gast nach Vermögen mit reichlicher Kost. Gebricht es 
an Vorrat, so gehen sie, der bisherige Gastwirt, nun 
Wegweiser, und sein Gefährte, ungeladen ins nächste 
Haus. Dies tut jedoch nichts; man nimmt sie mit gleicher 
Freundlichkeit auf2). Bekannt oder unbekannt macht in 
Ansehung des Gastrechts keinen Unterschied. Sitte ist, 
dem Weggehenden mitzugeben, was er sich etwa aus¬ 
bittet, und man macht eine Gegenforderung mit gleicher 
Unbefangenheit. Sie lieben Geschenke, aber das Geben 
hat nicht Ansprüche, das Nehmen nicht Verbindlichkeit 
zur Folge3). 
') Die Blutrache, die bei den Germanen wie bei anderen 
Völkern bestand, konnte also abgekauft werden mit dem 
Werg eld e (Wer = Mann), d. h. Ersatz des Wertes, zu welchem 
jemand nach Maßgabe von Stand und Rang bei Tötung oder 
Verletzung an Leib und Leben eingeschätzt wurde. 
2) Ähnlich berichtet auch Cäsar (Gail. Krieg, 6, 23). 
8) Diese schöne Schilderung schließt in den Handschriften 
mit den matten und ganz unpassenden Worten, die ver¬ 
schiedentlich angefochten und verteidigt worden sind: Victus 
inter hospites comis: freundlich ist der Umgang unter 
Gastfreunden. Sie haben sich wahrscheinlich aus einer Rand-
	        
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