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schauten sie vom hohen Söller herab auf die Mönche und das Heer 
und wunderten sich über alles, was ihnen fremd war. 
Am nächsten Tage zog Karl mit den Gesandten hinaus in den Forst, 
um Auerochsen zu jagen; mit Jagdspießen, Jagdnetzen und Hunden ritten 
sie unter Hörnerklang ans dem Dorfe. Im Walde stießen sie ans eine 
Herde Auerochsen, die am Rande einer Waldwiese weideten. Als die 
Perser die ungeheuren Tiere sahen, ergriffen sie die Flucht. Karl aber 
näherte sich auf seinem Rosse einem dieser wilden Tiere, zog das Schwert 
und wollte ihm das Haupt abhauen. Allein der Hieb mißlang; mit lautem 
Gebrüll und blutunterlaufenen Augen stürzte das wütende Tier auf den 
Kaiser los. Gewandt wich dieser zur Seite; aber das Tier streifte ihn 
noch mit den Hörnern, zerriß dem Kaiser Stiefel und Hose und traf sein 
Bein mit der Spitze des Hornes. Dann floh das durch die Wunde gereizte 
Tier in eine Schlucht, die von Baumstämmen und Felsblöcken geschützt 
war. Wie nun alle dem Kaiser dienstfertig ihre Kleider anboten, sprach 
er lachend: „Nein, mit dieser zerrissenen Hose muß ich zu Hildegard 
kommen!" — Unter den Jagdgästen war auch einer namens Jsambard, 
der bei Karl in Ungnade gefallen und aller Ehren beraubt war. Dieser 
erreichte das Tier, und da er nicht näher heranzudringen wagte, durch¬ 
bohrte er mit der Lanze sein Herz zwischen Hals und Schulter und zeigte 
das zuckende Tier dem Kaiser. Dieser aber tat, als bemerke er es nicht, 
ließ das Wild seinen Gefährten und kehrte nachhause zurück. Dort rief 
er die Kaiserin und zeigte ihr die zerrissene Hose. „Was verdient der 
Mann, der mich von dem Feinde, der mir das getan, befreit hat?" fragte er. 
„Alles Gute!" erwiderte sie. Nun erzählte ihr der Kaiser alles der Reihe 
nach und legte ihr zum Wahrzeichen die ungeheuren Hörner vor. Da 
dachte die Kaiserin an die Gefahr, in der Karl geschwebt hatte, und weinte. 
Sie bat für Jsambard um Verzeihung und erlangte alles zurück, was 
ihm genommen war. In den nächsten Tagen verabschiedete Karl die 
Gesandten, gab ihnen Briefe unb Geschenke an ihren Herrn mit und ließ 
sie bis an bie Grenze bes Frankenreiches geleiten. 
Karl und die Normannen. 
Die Könige ber Normannen schickten an Karl Golb unb Silber 
unb ihre Schwerter zum Zeichen ber Unterwerfung, jeber nach seiner Ehr¬ 
furcht vor ihm. Da befahl ber Kaiser, bas Gelb auf ben Boben zu 
werfen; bann setzte er sich auf ben hohen Thron unb sprach: „Bringt 
mir bie Schwerter zur Probe!" Die Gesanbten nahmen nun bie Klingen
	        
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