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erfahren, behandeln sie ihn gastfrei, auch wecken ihres Gefangenen, dessen 
Sprache er verstand. Und sie belehrten sich durch jene beiden über die 
gesamten Gewohnheiten der von Übermut erfüllten Feinde. Der Ungar 
nahm nach seiner Taufe ein Weib und bekam Söhne. Weil sie erfahren 
hatten, daß die Ungarn zuweilen zurückzukehren pflegten, fällen sie zum 
zweiten Male gegen den Zugang der Burg hin in breitem Raume den 
Wald und stechen einen tiefen Graben aus. Und da, wo Binsen wachsen, 
Wasser gewiß ist, graben sie einen sehr tiefen Brunnen und finden eine 
sehr reine Quelle. Den Wein, den die Ungarn dem Heribald zuliebe 
geschont hatten, schafften sie heimlich bei Tag nnd Nacht in Füßchen und 
anderen Gefäßen schnell herbei. Und indem sie so ihre Zeit zubriugeu, 
rufen sie unausgesetzt den Herru an. 
Weil ringsherum Tag und Nacht alles vom Feuer am Himmel 
widerleuchtete, wagte Engilbert keine Späher mehr auszusenden und 
schützte mit den Seinigeu den festen Platz. Und wenn er hie und da 
einmal deu einen und andern der Beherztesten nach dem Kloster schickte, 
damit sie dort Messe hielten, vermochte er saunt bis zu deren Rückkehr 
Atem zu schöpfen vor Angst. In dieser Zeit zwischen Furcht uud Hoffnung 
wurden die Genossen vielfach gekräftigt durch Heribalds und des Priesters 
fleißige Erzähluug über die Feinde. Indem sie den Heribald zwischen 
ihren Mußestunden befragten, wie ihm die so zahlreichen Gäste des hl. 
Gallus gefielen, sagte er: „Ei, wie zum Besten! Ulauftet mir, niemals 
er innere ich mich, fröhlichere Leute in unserem Kloster gesehen zu haben; 
denn Speise und Trank schenkten sie sehr reichlich. Was ich vorher von 
unserem sparsamen Kellermeister kaum erbitten konnte, daß er mich wenigstens 
einmal mit Getränk versehe, wenn mich durstete, das gaben mir diese im 
Überfluß, wenn ich bat." Da sprach der Priester: „Und wenn du nicht 
trinken wolltest, zwangen sie dich durch Ohrfeigen." — „Das kann ich 
nicht iit Abrede stellen," antwortete Heribald; „das eine mißfiel mir sehr, 
daß sie so ohne Zucht waren. Ich sage euch, niemals habe ich im Kloster 
des hl. Gallus so grobe Leute gesehen; denn sie haben sich in der Kirche 
und im Kloster aufgeführt, als wenn sie draußen ans der Wiese gewesen 
wären. Und als ich ihnen einmal mit der Hand ein Zeichen gab, damit 
sie an Gott denken und wenigstens in der Kirche leiser wirtschaften sollten, 
schlugen sie mich mit schweren Nackensireichen. Doch machten sie das 
sogleich wieder gut, indem sie mir Wein darbrachten, was zwar von euch 
niemand tun würde." 
So ergötzten sie sich in ihrem Elend, so lange sie Muße hatten. 
Als jedoch das falsche Gerücht ging, die zurückgekehrten Feinde befänden 
sich neuerdings im Kloster, da bat der Narr hartnäckig, man möge ihn
	        
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