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Zornig packte er seinen Hut, stülpte ihn über die gesträubten Haare,
stapfte mit langen Schritten davon und schoß zur Tür hinaus. Die
Angen auf das beschneite Pflaster gelenkt, so stürmte er heimwärts.
Bilder der Erinnerung huschten an seiner Seele vorüber. Er dachte an
5 die Lehrlingszeit zurück, die er in einem chemischen Laboratorium durch¬
gemacht hatte, und an die ersten Gesellenjahre, die er weit von der
Heimat in einem großen Glaswerke verbracht. Dann war er heim¬
gekommen und hatte in der Seydelmannschen Majolikafabrik eine sichere
Stelle gefunden. Der gute Herrgott hatte ihm ein liebes Weib und
10 gesunde, lustige Kinder beschert — ja, was wollte er denn noch mehr?
Ein wenig knapp ging es freilich her zu Hause — aber wenn da nun
auch ein paar kleine Rückstände bei den unentbehrlichen Handwerksleuten
nicht zu vermeiden waren — er hatte ja nur eine kurze Woche noch auf
den Neujahrstag zu warten, an dem Herr Seydelmann für den Glück-
15 wünsch jedes Beamten und Arbeiters mit einem ganzen Monatsgehalt zu
danken pflegte. Und diesen Herrn, der ihm erst vor acht Tagen den
größten Beweis seines Vertrauens gegeben hatte, den hätte er verraten
und verkaufen sollen? —
Bald erreichte er sein Heim, weit draußen in einer stillen Vorstadt-
20 gasse. Mit hurtigen Sprüngen eilte er die vier engen, steilen Treppen
hinauf. Seine schmucke, blonde Frau empfing ihn. „Grüß dich Gott,
Robertl!" sagte sie und schaute ihn von der Seite an; denn sie las es
ihm gleich vom Gesichte, daß irgend etwas nicht in der Ordnung war.
Diese Wahrnehmung aber verschwieg sie ihm. Sie faßte seinen Arm und
25 zog ihn gegen die Stube. „Komm nur, kannst mir gleich die Kerzen
aufstecken helfen! Die Kinder wollen schier nimmer warten. Sie schreien
wie die Wilden, und der armen Großmutter haben sie schon alle Fallen
vom Rocke heruntergerissen."
Sie traten in das Zimmer, das, von einer Hängelampe erhellt, trotz
30 seiner dürftigen Ausstattung einen behaglichen, freundlichen Eindruck
machte. Der Tisch war schon zum Abendessen gedeckt, und seitwärts auf
einem niederen Kasten stand der kleine, nicht allzuschwer behängte Christ¬
baum, unter dem die kärglichen Weihnachtsgaben für die Großmutter und
die Kinder ausgebreitet waren. Sie redeten eine Weile über diese Sachen
35 und Sächelchen hin und her, dann begannen sie die Kerzen aufzustecken,
während aus dem anstoßenden Zimmer der übermütige Jubel der drei
„Wilden" sich hören ließ.
„Robertl? Mir kommt vor, als hättest heut einen Verdruß gehabt?"
fragte nach einer Weile die junge Frau. „Gott bewahre!" brummte er
40 und schüttelte den Kopf. Sie fragte nicht weiter; denn sie kannte ihn —
und da kam's denn nach kurzen Minuten von selbst aus ihm heraus,
diese Kaffeehausgeschichte. „Heute nachmittag, gerad wie ich aus der
Fabrik hab' fort wollen, hat mir einer einen Brief geschickt, ich soll zu