Full text: Von der deutschen Vorzeit bis zur Reformation (Teil 1)

94 Das Rittertum. 
empfing ihn ein schöner Kranz von Edelfrauen, welche ihm die schwere Rüstung 
abnahmen und ihn mit den prachtvollsten Feierkleidern schmückten. Am Abend 
folgte ein kostbarer Schmaus und großer Ball. An der Tafel bekam der Sieger 
einen Ehrenplatz und wurde zuerst bedient; er eröffnete am Abend auch den 
Ball. Fahrende Sänger und Spielleute ergötzen die Festgesellschaft durch Ge¬ 
sang, Geigen- und Harfenspiel.*) (Nach Weiter.'» 
Überschrift? 
Zusammenfassung: Die ritterlichen Kampsspiele. 
4. W i e der Ritter erzogen wurde. 
Schon von Jugend auf wurde der Ritterknabe für den gareren Beruf vor¬ 
bereitet. Hatte er das 7. Lebensjahr erreicht, so brachten ihn die Eltern auf die 
Burg eines fremden Ritters. Hier lernte er im Dienst seines Herrn und im ehr¬ 
furchtsvollen Umgange mit Edelfrauen die Ansangsgründe der Rittertugenden. 
Er wartete bei der Tafel auf, säuberte die Waffen, hielt seinem Herrn beim Auf¬ 
steigen die Bügel und übte sich im Reiten, Fechten, Klettern, Springen und 
Armbrustschießen. 
Im 14. Jahre wurde er durch Umgürtung des Schwertes wehrhaft und hieß 
von jetzt an Knappe. „Als solcher sollte er seine ritterliche Zucht im Dienste der 
Frauen und seine ritterliche Waffentüchtigkeit im Dienste des Herrn mit der 
Tat erweisen. Die für die Herrin zu leistenden Dienste mehrten sich; insbesondere 
hatte der Knappe die Falken zu Pflegen, deren die Herrin zur Jagd bedurfte. 
Auch die Dienste für den Herrn wurden zahlreicher und wichtiger. Der Knappe 
hatte die Rüstkammer zu beaufsichtigen, die Rosse zu Pflegen und den ritterlichen 
Herrn auf die Jagd, zum Turnier und in den Krieg zu begleiten. Auf solchen 
Fahrten trug er die Lanze des Herrn und führte das Streitroß am Zügel neben 
sich; denn die Ritter hatten immer neben dem Rosse, auf dem sie den Weg zurück¬ 
legten, noch ein zweites bei sich, das sie erst kurz vor dem Kampfe bestiegen und 
das dann noch bei frischen Kräften war, weil es die Last des schwergerüsteten 
Ritters nicht zu tragen gehabt hatte. Während des Kampfes, mochte es nun 
der Wettkampf des Turniers oder der Ernstkampf der Schlacht sein, hatte der 
Knappe mit spähenden Augen auf seinen Herrn zu achten, beim Unbrauchbar¬ 
werden einer Waffe eine neue darzureichen, im Falle der Verwundung oder 
des Sturzes sofort Hilfe zu leisten." Hatte er in der Schlacht mit Schild und 
Schwert den Herrn gerettet, so trug er den größten Ruhm davon, den ein edler 
Jüngling sich erwerben konnte. 
War der Knappe 21 Jahre alt geworden, so konnte er nun selbst ein Ritter 
werden. Dazu machte man ihn in feierlicher Weise durch den Ritterschlag oder 
die sogenannte Schwertleite (vergl. die Schwertleite auf dem Friedensfest zu 
Mainz!). Zu dieser wichtigen Handlung mußte er sich durch das heilige Abend¬ 
mahl, durch Fasten und Beten vorbereiten. Am frühen Morgen des festgesetz¬ 
ten Tages wurde er in die Kirche geführt. Ein Geistlicher hielt ihm noch einmal 
alle die Pflichten vor, die er als Ritter zu erfüllen habe. Er soll das Evangelium 
und die Kirche verteidigen, Witwen und Waisen schirmen und die Frauen ehren. 
Seine Waffen soll er im Dienste Gottes und im Dienste seines Herrn, in Krieg, 
Turnieren und ritterlichen Übungen gern gebrauchen, aber er soll sie nicht mi߬ 
brauchen zu Taten, die ihm Schande bringen. Hierauf mußte er geloben, alle 
diese Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Dann trat ein älterer Ritter hervor und 
*) Der Stoff wird teilweise durch Betrachtung des Lehrnannschen Bildes „Das 
Turnier" gewonnen.
	        
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