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3. Gerichtsverfahren. Die Verhandlungen waren entweder öffent¬
lich oder geheim. Die öffentliche Verhandlung hieß das offene Ding,
die geheime dagegen das Stillgericht oder die heimliche Acht. ^zedev
offene Ding sonnte in ein Stillgericht verwandelt werden. Bei ersterem
durfte jedermann gegenwärtig sein, an letzterem durften nur die Frei-
fchöffeu teilnehmen. Die Anklage mußte ein Freifchöffe stellen. Vor
die Feme gehörten alle bedeutenden Verbrechen, wie Mord, Raub,
Diebstahl, Meineid, Landesverrat, Ketzerei. Diese wurden nach mittel¬
alterlichem Rechte mit dem Tode bestraft. Die Ladung wurde schrift¬
lich ausgefertigt, vom Freigrafen bestätigt und vom Freiboten oder
von 2 Freischöffen besorgt, an mächtige Personen jedoch geheim
in der Nacht. — Der Verurteilte (Verfemte) wurde gewöhnlich aufge¬
hängt. Erschien der Angeklagte nach dreimaliger Ladung nicht, wurde
aber in der Verhandlung doch „verfemt", fo war er vogelfrei. Wenn
ihn 3 Schöffen trafen, so mußten sie den Ahnungslosen an den nächsten
besten Baum hängen und neben ihn ein Meffer stecken. Dies war das
Zeichen, daß er von der Hl. Feme gerichtet ward. Erwischten endlich
3 Schöffen einen Verbrecher ans der That, fo hatten sie das Recht, ihn
sofort zu richten, d. H. aufzuknüpfeu.
4. Macht der Feme. Die Macht der Feme stieg im 14. und 15.
Jahrhundert in außerordentlicher Weise; sie nannte sich selbst „des Hl.
Reiches Obergericht übers Blut". Ihr Emporkommen verdankte sie den
damaligen rechtlosen Zuständen im Lande. Denn bei den gewöhnlichen
Gerichten der Fürsten war oft kein Recht mehr zu erlangen. Darum
suchten viele sogar aus weiter Ferne rechtlichen Schutz bei den altehr-
würdigen Gerichten in Westfalen. Hier fanden sie noch ein unparteiisches
Urteil. Die Kaiser nahmen sie daher wiederholt in Schutz und erkannten
sie als kaiserliche Gerichte an. Nur Geistliche, Frauen, Kinder und
Juden konnten nicht vor die Feme geladen werden; sonst herrschte sie
über alle. Selbst mächtige Reichsfürsten beugten sich vor ihr und er¬
schienen vor den Freistühlen, wie z. B. Herzog Heinrich der Reiche von
Landshnt, Kaiser Friedrich III. und sein Kanzler.
5. Entartung und Untergang. Lange Zeit waren die Femgerichte
ein Schutz der bedrückten niederen Stände und ein wirksames Mittel
gegen das Faustrecht. Später nahmen sie jedoch mit der größten Leicht¬
fertigkeit falsche Klagen an und füllten ungerechte Urteile. Käuflichkeit
und Bestechlichkeit waren gang und gäbe. Dadurch wurden sie eine
wahre Geißel für Deutschland. Auf den Reichstagen ertönten deshalb
die ärgsten Klagen gegen ihre Ausschreitungen. Aber erst nach Ein-