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Welt. Seiner Anregung und seiner thatkräftigen Mithilfe haben wir
hauptsächlich die Einigung Deutschlands zu verdanken. Er wurde der
erste Kanzler des neuen Reiches und entwarf für dasselbe die Ver¬
fassung, welche bei den Fürsten und Abgeordneten des Volkes An¬
nahme fand. Durch seine unerreichte Staatskunst und überlegene
Geisteskraft hob er das Deutsche Reich aus eine staunenswerte Stufe
der Macht und des Ansehens. Überall gelangte der deutsche Name
wieder zu Ehren. Mit Bewunderung und Neid sah das Ausland
auf Deutschlands Größe und aus dessen gewaltigen Reichskanzler*).
Bismarck blieb aus seinem wichtigen und verantwortungsvollen Posten
bis zum Jahre 1890, wo ihn Kaiser Wilhelm II. in den Ruhestand
versetzte. Selten dürfte wohl ein Staatsmann so gefeiert, aber auch
so gefürchtet worden sein wie er.
2. Gras Hellmut von Moltke, geboren 1800 zu Parchim, hatte
lange vor 1870 schon die höchsten Stellen in der preußischen Armee
inne. Nachdem er die Feldzüge von 1864 und 1866 meisterhaft ge¬
leitet hatte, entwarf er auch den Plan zum dentsch-französischen Kriege.
Mit unübertrefflichem Geschicke und fester Hand wußte er die riesigeu
Heeresmassen zu lenken wie Figuren auf einem Schachbrette. Darum
blickte aber auch jeder Deutsche, vom gewöhnlichen Soldaten bis zum
Könige hinauf, mit unerschütterlichem Vertrauen auf den berühmten
Strategen**). Doch die glänzendsten Siege und der größte Ruhm
machten ihn nicht stolz; er blieb nach wie vor der einfache, stille, be¬
scheidene Mann, „der große Schweiger." Seit 1891 deckt ihn die kühle
Erde.
3. Ehrungen. Kaiser Wilhelm I. ehrte Bismarck und Moltke
auf jede mögliche Weise. Er erhob die getreuen Berater und Helfer
in den Fürsten- und Grafenstand, verkehrte mit ihnen wie mit Brüdern
und bewahrte ihnen eine rührende Dankbarkeit bis zu seinem Tode.
56. König Ludwig II. von Bayern (1864—1886).
1. Regierungs-Antritt. Ludwig wurde am 25. August 1845 in
Nymphenburg geboren und erhielt eine vortreffliche Erziehung. Als er¬
den Thron bestieg, war er kaum 19 Jahre alt und stand noch mitten
in seinen Studien. Der unerwartete Tod seines Vaters Maximilian II.
*) Reichskanzler — der oberste Beamte des Reiches.
**) Stratege — Kriegskundiger, Heerführer.