Full text: Bilder aus der Geschichte des Reußischen Landes und Fürstenhauses

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seinem Lande herzustellen und verbot alle Sauf- und Spielgelage und 
andere Zuchtlosigkeit. Jedermann hatte bei ihm, er mochte zu Hause, 
im Feld oder Wald sein, freien Zutritt. Er erleichterte möglichst die 
Lasten seiner Unterthanen und half, wo er konnte, den Armen. 
Nachdem er schon mehrere Jahre infolge seiner Vollblütigkeit an 
mancherlei Übeln gelitten hatte, auch einigemal ernstlich erkrankt war, 
befiel ihn Anfang Oktober 1722 ein hitziges Fieber, das am 17. 
zwischen 11 und 12 Uhr morgens seinem Leben ein Ende machte. 
Von Anfang war er auf seinen Tod gefaßt und bereitete sich mit 
Gebet und Betrachtung des Wortes Gottes ernstlich darauf vor. Ob¬ 
wohl zeitweise der Wunsch. länger zu leben, sich in ihm regte, gab er 
sich doch ganz in Gottes Willen und trug die Schmerzen, die manch¬ 
mal so heftig wurden, das; er laut schreien mutzte, mit Geduld. Sein 
Gebet war kindlich und demütig, wie er denn einst betete: „Herr Jesu, 
in deine Hände befehle ich meinen Geist! Ach Herr, andre doch mein 
böses, garstiges, hoffärtiges, ungeduldiges Herz, mache doch eine neue 
Kreatur aus mir!" — Seine Mutter war auf die Nachricht von seiner 
Erkrankung von Dresden zu ihm geeilt. Seiner herzlichen Liebe zu 
ihr gab er noch am Tage vor seinem Ende bewegten Ausdruck, nach¬ 
dem er sie lange unverwandt angesehen hatte. Auch seine Gemahlin 
suchte er zu trösten und zu beruhigen und segnete sie und ihre Kinder. 
— 3n seiner letzten Nacht lag er mit emporgerichtetem Antlitz lange 
in tiefen Gedanken und sagte dann zu seinem Hofprediger (in latei¬ 
nischer Sprache): „O wie unbeständig ist alles!" Kurz danach rief 
er aus: „Alles mutz geschehen, wie es der höchste Lenker bestimmt 
hat!" Seine letzten Worte, an seine Schwester gerichtet, waren: 
„Adieu, ich will einschlafen!" Er lag noch einige Stunden, ohne Teil¬ 
nahme zu zeigen, und entschlief endlich unter dem Gebet und Segens¬ 
spruch des Hofpredigers. 
12. Kraf Keinrich X. und Kraf Keinrich XXIX. 
von Köersdorf. 
Zu derselben Zeit, wo Graf Heinrich VI. durch seine Kriegs- 
thaten sich hohen Ruhm erwarb, that auch ein Herr aus der jüngeren 
Linie sich durch seinen kriegerischen Geist hervor. Das war Hcinrich X. 
aus dem Hause Lobenstein, ein Enkel Heinrichs Posthumus. Nach¬ 
dem er auf vielfachen Reisen durch England, Frankreich un*i Italien 
sein Wissen und seine Erfahrung bereichert hatte, nahm er in seinem 
24. Jahre 1686 unter Karl von Lothringens Führung an dem 
Kriege gegen die Türken als Freiwilliger teil. Bei dem Sturm 
auf Ofen focht er in den ersten Reihen, kam zwar durch das Springen 
einer Mine in große Lebensgefahr, blieb aber unversehrt und hatte 
noch die Freude, einem Türken das Leben zu retten, der ihm von diesem 
Augenblick an bis an sein Lebensende mit heitzer Dankbarkeit zugethan
	        
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