— 69 —
verhängnisvollen Kriege spielte später der Athener Al ci bi ad es
eine große Rolle. Er war vornehm, reich und beredt, aber auch ehr¬
geizig, leichtsinnig und wankelmütig wie ein echter Athener. Durch
seine glänzende Beredsamkeit überredete er die Athener zu einem Kriegs¬
zug gegen Syrakus auf Sizilien. Dadurch entbrannte 415 der Pelo-
ponnesische Krieg von neuem. Auf hundert Schiffen setzte das stattliche
athenische Heer über. Alcibiades segelte mit ab. Vor der Abfahrt waren
verschiedene Göttersäulen verstümmelt und andre Frevel verübt worden.
Die Gegner des Alcibiades lenkten den Verdacht auf ihn. Daher wurde
Alcibiades zurückgerufen. Er floh, begab sich nach Sparta und reizte es aus
Rache gegen Athen zum Kriege. Die Athener wurden auf Sizilien völlig
besiegt, ihre Flotte vernichtet und ihr Heer gefangen genommen. Die
Gefangenen mußten sich in den Steinbrüchen Siziliens zu Tode arbeiten.
So hatte Alcibiades über seine Vaterstadt größtes Elend gebracht. In
Sparta aber machte er sich bald unbeliebt und verhöhnte sogar den
König auf der Straße. Er mußte fliehen und ging nach Kleinasien. Nun
wirkte er wieder für Athen, befehligte die athenische Flotte und schlug
mehrmals die spartanische Seemacht. Im Triumphe kehrte er nach Athen
zurück. Weil aber sein Unterfeldherr eine Schlacht verlor, wurde er
wieder sehr angefeindet und zog sich nach Thrazien zurück. Hier machte
er die Athener darauf aufmerksam, daß ihre Flotte eine ganz ungünstige
Stellung innehabe. Die Athener aber mißachteten die Warnung und
wurden am Ziegenfluß 405 völlig geschlagen. Nun belagerten die
Spartaner Athen zu Wasser und zu Lande und zwangen es durch Hunger
zur Übergabe. Die langen Mauern wurden unter Flötenschall geschleift,
die Schiffe weggenommen und verbrannt und die Regierung 30 Tyrannen
übergeben. So endete 404 der Peloponnefifche Krieg mit der Vernich-
tung Athens. Alcibiades ward in Kleinasien auf Spartäs^Ansüften von
Meuchelmördern umgebracht. SpaM besaß die Oberherrschast über ganz
Griechenland.
4. Sokrates.
Während des Peloponnesischen Krieges wirkte in Athen ein weiser
Mann namens Sokrates. Er war der Sohn eines Bildhauers uud hatte
an mehreren Schlachten teilgenommen, in einer dem Alcibiades das
Leben gerettet. Mit dreißig Jahren verließ er die Bildhauerei und
widmete sich ganz der Weltweisheit. Einfach und schlicht war er in seinem
ganzen Wesen. Sein Wahlspruch lautete: „Nichts bedürfen ist göttlich.
Wer am wenigsten bedarf,' ist der Gottheit am nächsten." Dennoch ver¬
urteilte er alle Nachlässigkeit und Unsauberkeit. Als einer von seinen
Schülern im zerrissenen Mantel einherging, tadelte er ihn mit folgenden
Worten: „Aus den Löchern deines Mantels schaut die Eitelkeit". Ein
schöner Jüngling liebte schmutzige Reden. Zu dem sprach er: „Schäme
dich, aus elfenbeinerner Scheide eine bleierne Klinge zu ziehen". Nie