Full text: Praktisches Lehrbuch der Alten Geschichte

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ttrat er aus seiner Ruhe und Kaltblütigkeit zu bringen. Als ihm einst 
IS11?- la™omi8e Frau nach vielen Scheltworten auch noch ein Waschbecken 
Was,er nachMttete, sagte er gelassen: „Dachte ich es doch, daß nach dem 
Donner Regen folgen würde» Seine Mäßigung und Selbstbeherrschung 
war bewunderungswürdig. Einst gab ihm ein Mann im Zorn einen 
Lackenstreich. Ruhig sagte er zu seinen Schülern: „Es ist doch schabe 
daß man nicht voraussehen kann, wenn es gut wäre, einen Lelm «1 
tragen." * 0 
öteieiJ 2Mjen sammelte sich eine Schar junger, strebsamer 
cmünüer •UlI< fe*nen klugen Reden auf Spaziergängen, auf dem 
Markte, tu der Werkstatt, im Gymnasium, bei Tische. Meilenweit eilten 
enibegrerige Schüler herbei. Ein Fremder schlich sich nachts in Weiber- 
neioung tn die^ <^tadt, da es ihm bei Todesstrafe verboten war, Athen 
Tv^^bten. Lein Hauptgrundsah lautete: „Lerne dich selbst erkennen". 
w L s^ne ^ec^^e/ feine Pflichten, nicht bloß seine Vorzüge 
und Tugenden, nein auch seine Fehler und Schwächen müsse man kennen 
lernen. Als ihn das delphische Orakel für den Weisesten aller Griechen 
erklärt hatte, meinte er bescheiden: „Meine Weisheit besteht in der Er¬ 
kenntnis, daß ich nichts weiß." Während alle Athener am Gelde hingen 
und nach Geld jagten, führte er ein Leben in Armut und Bedürsnislosig- 
reit. Offen legte er die Schäden des Staates und der Gesellschaft dar. 
Deswegen beschuldigten ihn feine Feinde, er verdürbe die Jugend und 
führte neue Götter ein. Bei der Gerichtsverhandlung verteidigte er 
sich gewandt, aber gelassen und verschmähte es, um Gnade zu flehen. 
In allem Ernste beantragte er, man sollte ihn als Wohltäter der Gemeinde 
und verdienten Mann öffentlich speisen. Die Richter hielten das für 
Verhöhnung und verurteilten ihn zum Tode. Ein Schüler bestach den 
Gefängniswärter und wollte den geliebten Lehrer befreien. Sokrates 
aber erwiderte: „Gehorsam gegen die vaterländischen Gesetze ist die erste 
Bürgerpflicht." Einen ganzen Monat lang unterwies er noch heitern 
Mutes seine Schüler. Da klagte einer: „Wenn du doch nicht so unschuldig 
sterben müßtest!" Schlagfertig erwiderte Sokrates: „Wolltest du lieber, 
daß ich schuldig stürbe?" 
Am festgesetzten Tage trank er ruhig den Giftbecher aus, legte sich 
auf das Lager und sagte: „Opfert den Göttern einen Hahn, denn ich bin 
genesen." Später erkannten die Athener ihr Unrecht, verbannten die 
ungerechten Richter und setzten Sokrates ein Standbild. Seine Lehre 
aber blieb erhalten und ward weiter ausgebaut. Dadurch wurde das 
gebildete Hellenentum und Heidentum auf die Lehren des Christentums 
vorbereitet. 
5. Griechische Bruderkriege. 
Durch Einigkeit und Opfermut hatten die Griechen über die persische 
Weltmacht gesiegt und ihre Freiheit behauptet; durch Zwietracht, Neid,
	        
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