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machten sich seine Greuel so empfindlich suhlbar. In manchen
Gegenden der Pfalz war die Verheerung derart, daß nichü mehr
als zwei von hundert Bewohnern übrig blieben; weite Striche
der schönen, fruchtbaren Landschaft waren verödet, überall Ruinen
rind rauchende Trümmerhaufen. Da harrten des neuen Regenten
große und schwierige Aufgaben. Karl Ludwig, der Sohn
des Winterkönigs, der 1649 nach dem westfälischen Frieden*)
wieder in das Land seiner Väter einziehen konnte und bis 1680
regierte, machte sich mit allem Eiser und Geschick an dieselben,
und schon nach kurzer Zeit erfreute sich das von der Natur mit
unerschöpflicher Fruchtbarkeit ausgestattete, von einem aus¬
dauernden, widerstandssähigen Menschenschlag bewohnte Land
einer neuen Blüte. Doch bereits nach wenigen Jahrzehnten
brach ein noch schlimmererFeind verheerend über die gottgesegneten
Gaue herein. Ludwig XIV. sandte seine Mordbrennerbanden
über den Rhein herüber, die schonungslos die junge Blüte
niedertraten. Da forderte der tapfere, von heiligem Grimm
erfaßte Kurfürst den französischen General Turenne zum Zwei¬
kampf heraus, um so durch persönlichen Austrag des Streites
seinem Volke die Schrecken eines neuen Krieges zu ersparen.
Doch das ritterliche Anerbieten ward abgewiesen, und die Pfalz
sollte ihrem Schicksal nicht entgehen. Vergeblich war auch das
Opfer, das Karl Ludwig durch die Verheiratung seiner trefflichen
Tochter, Elisabeth Charlotte**), mit dem Bruder des Franzosen¬
königs, Philipp von Orleans, der Politik brachte; denn anstatt
die Begehrlichkeit des Nachbarn zn mindern, war diese unglückliche
Familienverbindung die Ursache weiterer Angriffe auf die Pfalz,
welche Ludwig XIV. unter Geltendmachung unberechtigter Erb-
anfprüche nach dem Tod des Bruders seiner Schwägerin, des
Kurfürsten Karl (gest. 1685), unternahm. Es kam zu einem
neuen Krieg, dem berüchtigten pfälzischen Raubzug (1688 bis
1697); iu Befolgung der vom König ausgegebenen Losung:
„Verbrennet die Pfalz!" wüteten die Franzosen 1689 unter dem
General Melac in barbarischer Weise. Außer zahlreichen links¬
rheinischen Städten, darunter Worms und Speyer mit ihren
Domen und Kaisergräbern, traf die Verheerung Mannheim,
Heidelberg, Breiten n. a. aufs furchtbarste; das prächtige
Heidelberger Schloß wurde ein Raub der Flammen. So mußte
die Kulturarbeit wieder von vorn anfangen, und lange dauerte
*) Durch diesen war die erste weltliche Kurstimme an die bayrischen
Wittelsbacher gekommen; für die Pfalz war eine neue, die achte und letzte
Kur geschaffen worden.
**) Diese unter dem Namen „Lieselotte" volkstümlich gewordene
Prinzessin ist eine der anziehendsten Frauengestalten der Geschichte; ihr
kerndeutsches, treuherziges Wesen hat sie auch inmitten des entarteten
Luxuslebens am französischen Hofe bewahrt.